: Wunstorf, eine Buslänge voraus
■ Der flexible öffentliche Nahverkehr fährt in Bremen noch in den Kinderschuhen / In Wunstorf fahren Busse nach Bedarf auf Abruf
Am Weserstadion erfüllen sich ab November die Hoffnungen von VerkehrsexpertInnen: Statt unflexibler Busse übernehmen Taxen den Pendelverkehr vom Parkplatz ins Ostertor-Viertel. Alle zehn Minuten fahren sie im Auftrag der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) am Stadion ab und bringen die BesucherInnen direkt vor das gewünschte Geschäft oder Café.
Kommen keine MitfahrerInnen, bleibt das Taxi stehen und spart Energie. Haben die Auswärtigen genug gekauft, gegessen und getrunken, können sie sich an einer beliebigen Ecke vom Taxi wieder abholen lassen. Den ganzen Service gibt es für zwei Mark.
Dieses Miniatur-Modell des Bedarfs- oder Rufbus-Systems ist in Bremen ein Anfang. Die BSAG hat dem ökologisch sinnvollen und bürgerfreundlichen Sammeltaxen-Konzept zugestimmt, da es in diesem Fall die billigste Lösung ist: Die Autos sind von anderen bezahlt, die FahrerInnen werden nicht nach Tarif entlohnt. Rund 70 Prozent gibt die BSAG für ihr Personal aus, bescheidene 30 Prozent gehen für Wartung, Treibstoff und andere Materialkosten drauf.
„Im ÖPNV arbeitet kein Verkehrsbetrieb kostendeckend“, sagt Wolfgang Schlieske, Verkehrsexperte der Hannoveraner Haas Consult. Die Firma vermarktet ein intelligentes Verkehrsleitsystem, das zunächst von 1979 bis 1985 in Wunstorf bei Hannover erprobt wurde. Die Steinhuder Meer GmbH – ein privates Verkehrsunternehmen – konnte durch das Rufbus-System 78 Prozent mehr Fahrgäste dazu bringen, mit dem Bus zu fahren.
Ab 20 Uhr abends können die BewohnerInnen von Wunstorf die Zentrale der Steinhuder Meer GmbH anrufen und ihre Fahrtwünsche anmelden. Wohnt der Fahrgast in einer entlegenen Gegend und möchte spätabends in die Innenstadt Hannovers, kommt ein Linienbus zu seiner nächstgelegenen Haltestelle. Am Telefon erfährt der Spätfahrer genau, wann und wo er zu stehen hat. Der Bus würde zwar sowiso nach Fahrplan fahren, aber nur auf der belebten Hauptstrecke.
Kommt eine BewohnerIn der ländlichen Gegend spät abends am Bahnhof Wunstorf an, wartet auf sie eine Rufsäule. Per Knopfdruck ist der Fahrgast direkt mit dem Bus-Unternehmen verbunden und erhält noch spät in der Nacht darüber Auskunft, welcher Bus ihn am schnellsten nach Hause bringt. Auf der Rückfahrt darf der späte Gast an jeder Ecke aussteigen.
„Das machen wir seit dem Winterfahrplan auch“, sagt Wolfgang Pietsch, Sprecher der BSAG. Das ist aber auch alles, was der städtische Verkehrsmonopolist in die intelligente Verkehrsplanung investiert. An Ruf-Busse denke bei der BSAG niemand. Zunächst wolle man gucken, wie die Sammeltaxen am Weserstadion bei den Menschen ankommen. „Für ein Rufbus-System sehen wir keinen Wahnsinnsbedarf“, sagt Pietsch.
„Ja, das ist eine Philosophiefrage“, glaubt Schlieske. Entschließe man sich für das individuelle System, müsse man sich auch im Betrieb umstellen. Bei der „Steinhuder Meer“ können zum Beispiel alle 30 MitarbeiterInnen über ihren Computer den gesamten Fahrplan des Verkehrsverbundes abrufen. Fragen KundInnen nach einer Verbindung, können sie die Antwort aus der Personalabteilung oder aus der Wartungshalle bekommen. ufo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen