: Wunsdorf grüßt Boris und Masur läßt sich fallen
Wir befinden uns mitten in der Phase des Turniers, vor der wir immer Angst gehabt haben. Drei Tage lang ohne Fußball, drei Tage lang eine völlige innere Leere. Ein grausamer Vorgeschmack auf die Zeit nach der WM. Wer bin ich? Warum bin ich überhaupt auf der Welt? Weshalb hat Careca nicht wenigstens einmal gegen Argentinien getroffen? Es ist still hier in unserem WM-Studio, nach all den Jahren haben wir uns alles gesagt.
Die psychologische Hilfestellung des italienischen Fernsehens ist zwar lieb gemeint (man serviert uns pausenlos Evergreens a la Endspiel '66), bringt uns aber auch nicht weiter. Wie ein Verdurstender in der Wüste bekommen wir Wahnvorstellungen. Als auf Kanal 6 die Tennisübertragung vom Wimbledon-Turnier läuft, verwandelt sich plötzlich das sonst eher reservierte Tennispublikum zu einem gröhlenden Wembley -Mob.
Während sich an der Victoria Station die Tennis-Hools gegenseitig die Rackets um die Ohren hauen, hat Boris Aufschlag. Die Menge feuert ihn an: Oooooooohhhhhhh - Schuß
-„out“. Die Kurve brüllt mit ausgetrecktem Zeigefinger: „Weiße Sau“. Zweiter Aufschlag: As! Sofort ertönt der unvermeidliche Klatschrhythmus mit den alles überdröhnenden „Sieg! Sieg!„-Rufen.
„La ola“ tobt. Wunsdorf grüßt Boris. Leuchtkugeln werden abgeschossen. Vollgepißte Toiletten schon nach dem ersten Satz. Feuerzeuge fliegen auf den Court. Masur läßt sich fallen. Will Zeit rausschinden. Dann der Matchball. Masur ist draußen. Das Publikum höhnt „Auf Wiedersehn! Auf Wiedersehn!“
Kuddel schaltet um auf Tutti Frutti. Keiner wehrt sich. Hauptsache, es sind ein paar Bälle zu seh'n.
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