: Wundersame Streckenlängung
■ Die Transrapid-Gesellschaft stellt ihre Trassenwünsche vor. Magnetbahn soll zum Lehrter Stadtbahnhof in Berlin schweben. Zusätzliche Baukosten: Angeblich keine
Berlin (taz) – Der Transrapid soll bis in die Innenstädte von Berlin und Hamburg fahren. So will es Verkehrsminister Matthias Wissmann, und so hat es auch die Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft gestern beschlossen. Die Stelzenbahn soll vom Hamburger Hauptbahnhof starten und über die Haltepunkte Hamburg-Billwerder-Moorfleet, Schwerin-Holthusen und Berlin-Spandau bis zum Lehrter Bahnhof im Berliner Zentrum geführt werden.
Mit der Einfahrt in die beiden Innenstadt-Zielbahnhöfe sei eine reibungslose Anbindung an das Bahnnetz gegeben, jubiliert Wissmann und behauptet, daß ein wichtiges Argument der Transrapid- Gegner hinfällig sei. Die kritisierten nämlich, daß eine fehlende Streckenführung bis in beide Innenstädte ein zeitaufwendiges Umsteigen vom Haltepunkt am Berliner Westkreuz in die S-Bahn nötig machen würde. Das hätte die Reise mit der Magnetbahn um etwa 20 Minuten verlängert. Der Zeitvorteil für die Passagiere wäre im Vergleich zu einer ICE-Lösung auf wenige Minuten zusammengeschmolzen.
Doch die GegnerInnen des Projekts schwiegen auch gestern nicht. „Obwohl die Trasse nun zum Lehrter Bahnhof und damit etwa sechs Kilometer durch besiedeltes Gebiet geführt werden soll, sind hierfür null Mark Mehrkosten angesetzt“, konstatiert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Und die 15 Kilometer Streckenverlängerung durch die Anbindung von Schwerin sollen nach Rechnung der Befürworter ebenfalls kostenlos zu haben sein. Das sei „fortgesetzter Selbstbetrug“, schreibt der BUND.
Auch an anderer Stelle hat die Umweltschutzorganisation massive Schönrechnerei der Transrapid-Gesellschaft entdeckt: Die Arbeitsplatzeffekte werden erneut hochgerechnet – plötzlich ist von 18.000 Jobs während der Bauphase die Rede; früher waren einmal 10.000 angesetzt. Auch bei der Prognose für die Betriebsphase hat es eine wundersame Vermehrung von Jobs gegeben.
Wissmann und die Planungsgesellschaft warben hingegen auch gestern mit dem Arbeitsplatzargument: In Perleberg im Kreis Prignitz soll nach dem Beschluß der Planungsgesellschaft ein Wartungs- und Instandhaltungswerk eingerichtet werden. Damit werden laut Wissmann in einer strukturschwachen Region dauerhaft neue Arbeitsplätze im Hochtechnologiesektor geschaffen. Vom Haltepunkt in Schwerin-Holthusen werde auch die dortige Region einen Schub auf dem Arbeitsmarkt erfahren.
Die Trasse soll nach der jetzt beschlossenen Präferenzstrecke insgesamt 292 Kilometer lang sein. Dafür entsteht laut Planungsgesellschaft ein Flächenbedarf von 571 Hektar. Vom Fahrweg sollen 161 Kilometer ebenerdig und 131 Kilometer aufgeständert gebaut werden. Auf der Grundlage der Trassenentscheidung könnten die betroffenen Bundesländer jetzt mit dem Raumordnungsverfahren beginnen, erklärte Wissmann.
Im Juni muß noch der Bundesrat über den Transrapid abstimmen. Der SPD-Parteirat hat die Länder aufgerufen, das Projekt abzulehnen. Allerdings ist auf die Sozis kein Verlaß: Schon bei der Abstimmung am Donnerstag im Bundestag haben mindestens 12 Abgeordnete der Opposition mit der Regierung gestimmt. aje
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