: Wunderbar unelegante Tanzstunde
■ Dance Port: „The Featherstonehaughs“ aus London begeisterte auf Kampnagel
Sie sehen aus wie die kleinen Brüder der Blues Brothers und wissen, wie man eine Show zum Laufen bringt: „Can I have a welcome for The Featherstonehaughts?“. Im schwarzen Anzug verlangt einer Applaus und singt in alter Conferenciermanier ein romantisches Lied vom Fliegen. Ein anderer spielt den Mikroständer, die übrigen vier hüpfen, laufen, spielen Flugzeug auf der Bühne. Tanz mit Slapstickanleihen, very british, ein komisches, gleichfalls entlarvendes Spiel mit den Klischees von Rockkonzert und Croonertradition.
The Featherstonehaughs, 1988 gegründete sechsköpfige Tanzcompanie aus England, zeigen im Kampnagel-Damceport ihr zweites abendfüllendes Programm Big Feature - 13 abgeschlossene Stücke mit innerem Spannungsbogen, die mehr sind als eine bloße Nummernrevue - in der Choreographie von Lea Anderson. Die extrem unterschiedliche Musik von Janis Joplin, Hendrix bis Wagner, und die eigens für Big Feature komponierten Collagen werden durch die Mischung aus pantomime-ähnlichen Tanzfiguren, salopp-synchronen Ensemblepassagen und komisch bis anmutigem Pas de deux für Herren zusammengehalten.
Eine Vorliebe der Featherstonehaughs ist die Persiflage von Tanzstilen. In „Bomb Around The Clock“ verbinden sie zur entsprechenden Collage Rock'n Roll-Schritte mit dem zu-Boden-werfen beim Fliegeralarm. „Der nächste Tanz ist unser keltischer Tanz“: Eine lustvolle Übertreibung von Volkstanzschritten in „Legs, Legs, Legs“. Anatomische Gesetze scheinen aufgehoben.
Trivialvorgänge wie das Wegwerfen und Aufheben einer Mütze oder ein Boxkampf verwandeln die Featherstonehaughs in virtuose Choreographie, als hätte eine geheimnisvolle Tanzkrankheit den Alltag befallen. Eine verwirrend-witzige Diskussion auf einer Bank über Liebesszenen in Filmen erklärt sich durch einen lapidaren Nachsatz: „That was the break!“. Die „Rauchlieder“ finden im totalen Dunkel statt, fast nichts ist zu sehen, nur eine glimmende Zigarette, und Jessie Norman singt „Isoldes Liebestod“: „Seht ihrs Freunde, seht ihrs nicht?“ Fast ein Fluxus-Happening. Die letzten drei Stücke sind durch schnelle Brüche miteinander verzahnt: Tänzer werden durch abrupten Musikwechsel, wie bei „Reise nach Jerusalem“, nochmals in die vorherige Nummer gerissen. Mit einer Lightshow zu einer Rockeinlage von Jimi Hendrix endet die Stunde der sechs Herren im Anzug: stets komisch statt peinlich; stets wunderbar unelegant virtuos. Niels Grevsen
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