: Würschtelbude als Junkietreff
■ Debatte über Bude am Ziegenmarkt / Mit Biergärten gegen die Scene
Sie war das erste Bauwerk in der Ära Heck – und der frischgebackene Ortsamtsleiter stand fassungslos davor und rief verzweifelt: „Auf dem Plan hat die aber ganz anders ausgesehen!“ „Die“, das ist eine blaue Plastikbude auf dem Ziegenmarkt im Steintor, „die“, das ist die meistdiskutierte Würschtelbude in der Stadt. Dort nämlich versorgt sich Tag für Tag und Nacht für Nacht ein Teil der Bremer Junkies. Und das, sagen einige AnwohnerInnen und die Beiratsfraktion der WählerInneninitiative „Wir im Viertel“, das soll nicht sein. Schließlich hat der Senat beschlossen, die offene Drogenszene zu zerschlagen. Fazit: Die Bude muß weg, damit es sich endlich ausgewürschtelt hat auf dem Ziegenmarkt. Am Dienstag tagte der Stadtteilbeirat.
Eigentlich ist niemand zufrieden mit den Zuständen am Ziegenmarkt, da waren sich alle Beiräte einig, und deshalb hatten die StadtteilpolitikerInnen eigens eine Arbeitsgruppe Ziegenmarkt gegründet. Die hatte beschlossen, die geschlossenen Telefonzellen müssen weg, von wegen Minipuff und Druckraum und also wurden die Zellen durch offene Kabinen ersetzt. So hätte die Zusammenarbeit weitergehen können, wenn da nicht die vermaledeite Bude wäre. Denn die kriegt keiner so schnell weg, der Mietvertrag ist praktisch unkündbar und die Pächterin zahlt eine dermaßen geringe Miete, daß sie überhaupt keine Motivation hat, den Platz zu verlassen.
Also blieb dem Beirat allein die mühselige Suche nach Konsens. So wurde zum Beispiel die drogenpolitisch schier geniale Idee geboren, den Junkies auf dem Markt mit einem Biergarten zuleibe zu rücken: Die von der Abteilung Suff vertreiben die von der Abteilung Nadel.
Weil die Suche nach weiteren Lösungen erlahmte, kam die Sache schließlich vor den Beirat. „Die Bude ist eine Versorgungsstation und ein Kristallisationspunkt für die Abhängigen“, klagte Stefan Schafheitlin von „Wir im Viertel“, das seien schon Zustände wie bei der Drogenberatungsstelle in der Bauernstraße. Der Frau müßte ein anderer Platz angeboten werden. Dieser Argumentation wollte dann aber doch keine der anderen Fraktionen folgen. „Dann müsen wir gleich den Comet dichtmachen, weil die Junkies da einkaufen“, entgegnete Peter Verhaeg von der SPD. Der Angriff gegen die Bude endete schließlich in einem salomonischen Beschluß: Der Beirat will noch einmal das Gespräch mit der Pächterin suchen - genau der Stand, mit dem Beiräte in die Beratung gegangen waren. J.G.
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