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Archiv-Artikel

Wozu überhaupt arbeiten gehen?

betr.: „Die Entmündigten lernen, kreativ zu sein“ von Ulrich Klotz, taz 7. 1. 09

Ich sehe in der Argumentation von Herrn Klotz einen großen blinden Fleck, nämlich die Frage der Entlohnung. Dies finde ich umso erstaunlicher, als er ja als Berater für eine Gewerkschaft arbeitet. Ich möchte dies verdeutlichen, indem ich, wie Herr Klotz, zu Beginn eine radikale Frage stelle: Wozu überhaupt arbeiten gehen?

Der Zweck, den ich verfolge, wenn ich arbeiten gehe, ist der, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Aus dem Geist, den Herrn Klotz’ Artikel atmet, befürchte ich schließen zu müssen, dass er dagegen auf die Frage antworten würde: um etwas Sinnvolles zu tun; eine Haltung, die in Deutschland sehr verbreitet ist und durch die sich ArbeitnehmerInnen leider bei der Wahrnehmung ihrer Interessen regelmäßig selbst im Weg stehen.

Mag sein, dass eine Open-Source-förmige Organisation in der Arbeitswelt auf dem Vormarsch ist – dass dies für die Qualität der Produkte von Vorteil ist und dass es sogar von vielen ArbeitnehmerInnen subjektiv als befreiend empfunden wird gegenüber den alten hierarchischen, fordistischen Modellen. Ob ArbeitnehmerInnen davon – objektiv gesehen – einen Vorteil haben, möchte ich aber zumindest bezweifeln. Denn wer hat in einem Unternehmen, das ArbeitnehmerInnen oder – auch nicht viel anders – scheinselbständige „freie“ Mitarbeiter beschäftigt, denn den Nutzen von effizienterer Arbeit und besseren Produkten? Die Arbeitenden selbst sicher nicht, es sei denn, man begreift es schon als Nutzen, dass sie weiterhin einen Arbeitsplatz „angeboten“ bekommen. Die entscheidende Frage ist also nicht, ob sich eine Open-Source-förmige Organisationsform durchsetzt, sondern ob dies auch mit einer anteilsförmigen Verteilung des Ertrags einhergeht; andernfalls handelt es sich lediglich um eine verschärfte Form der Ausbeutung, die nicht einmal mehr Aufsichtspersonal benötigt. FLORIAN SUITTENPOITNER, Köln