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Archiv-Artikel

Wowereit will wieder kuscheln

Ob Bund, Kreuzberg oder Partei: In seiner Regierungserklärung setzt der Regierende auf versöhnliche Töne. Neue Ideen liefert er aber nicht. Die Opposition ist nach der rot-roten Pannenserie obenauf

von ULRICH SCHULTE

Klaus Wowereit (SPD) hat gestern die erste Regierungserklärung nach seiner Wahl abgegeben.

Tja.

Sonst noch was? Mal sehen. Redezeit: fast eine Stunde. Manuskript: 15 Seiten. Applaus: kurz, aber warm. Inhaltliche Punkte: 60. Neue Ideen: 0. Um es gleich vorab zu sagen: Wer einen großen Wurf Wowereits, einen roten Faden der Regierungspolitik der nächsten fünf Jahre erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Der Regierungschef zwirbelt in seiner Antrittsrede vielmehr viele kleine, altbekannte Fädchen zu einem fusseligen Knäuel zusammen – das die Koalitionsfraktionen von SPD und Linkspartei anstandslos als Regierungsprogramm beschließen. Und die peinlichen Pannen der vergangenen Tage wirken so stark nach, dass sie alles dominieren.

Das fängt schon beim Auftritt des Regierenden an: Wowereit steht steif hinter dem Rednerpult, die Hände liegen still vor dem Manuskript, er liest ab. Einer, der gestaltet, der etwas Neues schaffen will, sieht anders aus. Seine Wiederwahl sei „holprig gelaufen und kein guter Start“, räumt Wowereit gleich zu Beginn ein. Zuvor hatte sich Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) erneut für das Vereidigungsspektakel vor drei Wochen entschuldigt. Aber die Opposition solle sich nicht täuschen, so Wowereit: „Dieser Senat steht.“ SPD-Landeschef Michael Müller wird später assistieren: „Das Kalkül ‚schwieriger Start gleich schwache Regierung‘ geht nicht auf.“

Nach einer Pannenserie, zuletzt der Abqualifizierung der Kreuzberger Schulen durch Wowereit selbst, ist der Regierende hörbar um Ausgleich bemüht. Nicht nur, dass er seine hölzerne Entschuldigung wiederholt, er dankt ausdrücklich den LehrerInnen für ihre „oft sehr schwere Arbeit“. Und widmet Schulen und Kitas viel Raum: „Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass gute Bildungsabschlüsse vom Geldbeutel der Eltern abhängen“, ruft der Regierende unter dem Applaus der Regierungsfraktionen in den Saal. Die Koalition will schon im nächsten Jahr das dritte Kita-Jahr kostenlos organisieren, 2010 soll das zweite, 2011 das erste Jahr folgen.

Auch gegenüber dem Bund schlägt Wowereit verbindliche Töne an. Statt rotziger Kampfansagen verbreitet er Versöhnliches: Berlin sei dankbar für das Engagement des Bundes, besonders im Kulturbereich. Die Stadt stünde bei Umzügen von Bundesministerien von Bonn nach Berlin „als Partner bereit“.

Routiniert und leidenschaftslos arbeitet sich der Regierende durch die Politikfelder. Beim Punkt Wirtschaft landet er einen Seitenhieb auf raffgierige Manager, in der Wissenschaft schließt er Studiengebühren aus, er betont auch sonst soziale Gerechtigkeit: „Mit uns wird es keinen Darwinismus zu Lasten von Schwächeren geben.“ Die Botschaft ist klar: Wowereit will wieder kuscheln. Mit Kreuzberg, mit dem Bund, mit den Koalitionsparteien, in denen seine Fehler für Befremden sorgen.

Nur nicht mit der Opposition, natürlich, die Wowereit die versammelten Peinlichkeiten vorhält. CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger liest genüsslich die Interviewsätze mit Wowereits Kreuzberg-Fauxpas vor. Die „langweilige, lähmende und lustlose Lesung“ des Regierenden sei in keiner Weise ein Befreiungsschlag gewesen, kritisiert Pflüger. „Das war mehr Abbruch als Aufbruch.“ Für die Grünen verdammt Fraktionschef Volker Ratzmann die Regierung, die „schon fertig hat, bevor sie überhaupt angefangen hat“. Bei allen wesentlichen Themen, etwa der Herausforderung, Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung zu schaffen, fehle jede Substanz, sagt Ratzmann.

Wowereit, der sonst gerne auf der Regierungsbank mit seiner Nachbarin witzelt, lauscht der Kritik meist mit ausdruckslosem Gesicht. Regieren hat schon mal mehr Spaß gemacht.