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Archiv-Artikel

Wowereit lehnt Papier ab

Der Regierende Bürgermeister, still in der öffentlichen Debatte um den SPD-Leitantrag, hat das Vorstandspapier intern abgekanzelt. SPD-Frauen-Chefin: Seine Wortwahl war „despektierlich“

von STEFAN ALBERTI

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat parteiintern den strittigen Leitantrag für den SPD-Landesparteitag Mitte Mai kritisiert. Damit meierte er indirekt auch den Vorstand um Parteichef Strieder ab: Der hat das Papier schon im Februar beschlossen. Die Ablehnung soll drastisch ausgefallen sein: „Despektierlich“ habe sich der Regierende über den Antrag und die Kritik daran geäußert, sagte gegenüber der taz die Landeschefin der SPD-Frauen, Mechthild Rawert. „Er hat zum Ausdruck gebracht, dass er beides schlecht findet“, äußerte sich der Abgeordnete Frank Zimmermann.

Der Regierende hat sich an der seit Tagen währenden öffentlichen Debatte um den Antrag bisher nicht beteiligt. Das Papier, das auf Privatisierung und weniger Staat setzt, stößt bei einer Mehrheit der zwölf SPD-Kreisverbände auf Widerstand. Die Äußerungen Wowereits fielen bereits vor knapp zwei Wochen bei einer Delegiertenversammlung in Tempelhof-Schöneberg, seinem SPD-Kreisverband. Während die sonstige Kritik den Leitantrag weitgehend als nicht SPD-kompatibel betrachtet, geht dem Regierenden das Papier offenbar nicht weit genug und bringt ihm zu wenig an Modernisierung.

Parteisprecher Hannes Hönemann und Senatssprecher Michael Donnermeyer, beide bei der Versammlung nicht anwesend, mochten die Aussagen Rawerts und Zimmermanns nicht kommentieren. Sie hatten zuvor gesagt, Wowereit habe im Vorstand den Leitantrag unterstützt.

Der Landesvorstand einschließlich der Kreischefs hatte im Februar den Leitantrag laut Hönemann bei zwei Enthaltungen angenommen. Jetzt relativierten Mitglieder des Gremiums die Abstimmung. Es sei im Vorstand nur darum gegangen, eine Diskussionsgrundlage zu schaffen, sagt etwa der Spandauer Kreischef und Bundestagsabgeordnete Swen Schulz. „Das Papier an sich hätte überhaupt keine Mehrheit gehabt.“

Der Leitantrag, entstanden in einer Arbeitsgruppe unter Parteivize Annette Fugmann-Heesing, spricht sich unter anderem dafür aus, den städtischen Wohnungsbestand zu verringern und ist offen für einen Verkauf von BVG und BSR. Fugmann-Heesing ging im März gegenüber der taz von einer Mehrheit aus.

Danach sieht es nicht aus. Die Kreisverbände Spandau und Reinickendorf haben komplette Gegenanträge formuliert, andere ein von jüngeren Mitgliedern vorgelegtes Programm aufgegriffen. Sie betonen vor allem das solidarische Element. „Einen schwachen Sozialstaat können sich nur die Reichen leisten“, steht etwa im Papier der SPD in Friedrichshain-Kreuzberg. Parteivize Andreas Matthae soll nun einen Kompromiss erarbeiten.

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