■ Mit Treuhand-Auskünften auf du und du: Worte der Präsidentin
Berlin (taz) – Nachfragen nach Pannen und Pleiten sind nicht erwünscht, wenn Treuhand-Präsidentin Birgit Breuel zur Pressekonferenz lädt. Es sei gelungen, etwa 12.000 Unternehmen der DDR zu privatisieren, stillzulegen oder in öffentlichen Besitz zu überführen. Ganze 523 Unternehmen mit noch etwa 150.000 Beschäftigten warten auf Investoren, so lautet die neuste Zwischenbilanz. Aber solche Zahlen wecken heute nicht einmal im Westen nur Begeisterung.
Das Hamburger Weltwirtschaftsarchiv moniert, daß bei der Privatisierung Großkonzerne bevorzugt werden, die Fusion der Kaligruben stieß auf Widerstand der Kartellbehörde Affären wie die Pleite der Sachsenmilch rückten die Abwickler vollends ins Zwielicht. Der SPD-Wirtschaftssprecher Dieter Spörri verlangt mit guten Erfolgsaussichten einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß.
Da kommt ein Buch wie gerufen, das soeben der Ullsteinverlag herausgebracht hat. Auskunft über die „Treuhand intern“ verheißt das 423 Seiten starke Werk, das Birgit Breuel herausgegeben hat. „Wir haben nichts zu verheimlichen“, sagte sie vor der Presse – zu sagen allerdings auch nichts. Investoren nämlich befürchteten schon jetzt, daß „Betriebsgeheimnisse“ veröffentlicht würden. Die Sorge ist grundlos, Fragen sind zwecklos: Was wird aus den Eko-Stahlwerken? „Wir verhandeln erfolgreich.“ Was aus der Mitteldeutschen Braunkohle AG? „Wir stehen vor dem Abschluß.“ Wie hoch sind die Verluste? „Zwanzig, vielleicht fünfzehn Prozent“. In der Chemie? Schweigen. Höher als fünfzig Prozent? „Nein.“
„Manchmal wünscht man sich, hinter den Vorhang der Macht zu schauen“, so hebt die Einleitung des neuen Buches an. Über dreißig Autoren tun danach alles, um eben das zu verhindern. „Subjektiv“ sei ihre Sicht, meint die Herausgeberin, deshalb sei ein „Tagebuch“, wie es im Untertitel heißt, entstanden. Genau am 1. März 1990 hat demnach ein Treuhänder erkannt, daß „die sozialistische Planwirtschaft ohne Reformen nicht mehr überleben kann“. Wir erfahren von fehlenden Telefonleitungen und Büroräumen, werden belehrt, daß die „engste Zusammenarbeit“ mit dem Treuhandvorstand sich „unter der Präsidentschaft von Birgit Breuel entwickelt“ habe.
Sie wird uns nicht mehr verlassen, mehrfach sind ihre Worte ausführlich nachgedruckt. Sonst lesen wir über handfeste Konflikte mit Entlassenen. Intern ist nichts davon, der Untersuchungsausschuß darf sich auf schwierige Sitzungen gefaßt machen. Niklaus Hablützel
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