■ Einkaufen im Kreise der Lieben: Wonderbras und Stöckelschuhe
Die Erotic-Tupper-Party ist in vollem Gange. Die kurzfristig hochkriechenden Peinlichkeiten werden von Jacqueline, der Verkäuferin, souverän zurückgedrängt. „Wofür ist denn das?“, will Frau von Duisberg wissen und begutachtet einen Seitenarm des lilafarbenen Plastikpenis. „Na, für'n Arsch, sach' ich mal“, gibt Jacqueline fachkundig und schnodderig zurück. „Ich bin entsetzt“, japst die Gastgeberin verstört-verzückt auf.
Als in der Zeitung stand, es gäbe Parties, auf denen man statt Tupperware für den Kühlschrank massenhaft Dessous und erotische Accessoires kaufen könne, war die Neugierde groß. For Ladies only, versteht sich.
Meine Ex-Nachbarin Annabella war in Hochstimmung, als sie mir den Termin mitteilte. Genauer gesagt, erklärte sie, man bräuchte nur noch ein paar leicht verklemmte Frauen wie mich zum Beispiel, die sich in Unterwäscheabteilungen von Kaufhäusern immer wie Elefanten im Porzellanladen vorkämen. Und außerdem könne man schließlich nicht ewig auf den androgynen Charme setzen, säuselte sie in ihr Handy. Mir blieb die Spucke weg. Aber leider hatte sie recht.
Die Sache war in Nullkommanix organisiert, und nur die Körbchengrößen der interessierten Damen wurden dem Dessous-Laden noch vorher bekannt gegeben. Die Gastgeberin hatte ihr Wohnzimmer ganz nett mit Käse-Weintraubenspießchen und Sekt präpariert und dann noch schnell angeläutet, um zu erklären, man müsse unbedingt Stöckelschuhe mitbringen. Niemand könne Reizwäsche mit normalen Schuhen anprobieren, das sähe einfach nicht aus. Dabei stand ich gerade schon ausgehfertig mit wadenhohen Timberlands und Wintermantel in meiner Tür. Ein sehr vernünftiger Hinweis, wurde mir klar. Die Schuhe hätten mich reingerissen.
Hans-Peter, der Lebensgefährte der Gastgeberin, die sich mit „Nennt mich einfach Babsi“ vorstellte, zog diskret und mit wissendem Blick ins Fitneßstudio ab. Endlich allein unter Frauen.
Die sieben, mit Stöckelschuhen angetretenen Damen aus Hamburg-Uhlenhorst versuchen erst mal, ihre Verlegenheit gegenseitig zu übertrumpfen, indem sie mit heiter vorfreudigem Grinsen großes Interesse an Vibratoren aller Art demonstrierten. Der Vibrator Swing zum Beispiel vibriert nicht nur, sondern dreht sich auch um sich selbst. Ungelogen. Es brummt und surrt in der guten Stube so laut wie in einer Schuhfabrik. „Hör auf, das tut mir schon am Ohr weh“, jammert Frau Müller entnervt. Aber dann gibt es auch noch den Vibrator mit dem Drei-Stufen- Regler. Der ist geräuschlos, kostet allerdings auch 398 Mark.
Männer, so weiß die rosa gekleidete Verkäuferin Jacqueline zu berichten, geben viel eher 398 Mark für einen Vibrator aus. Das schien den Damen aber nicht verwunderlich. Jeder normale Mann glaubt irgendwie an seine Unersetzlichkeit und möchte nicht von einem Vibrator für nur 99,90 Mark abgelöst werden.
Dann aber fliegt der Sektkorken in den Unterwäscheständer, und dabei stellt sich heraus, daß einige von unseren Girls noch nicht mal den Unterschied zwischen 75 B und 75 C wissen. Körbchengröße, versteht sich. Bodys, Strings, Dessous, Wonderbras und Strumpfbänder werden eifrig ausprobiert. „Strings rutschen immer in die Arschritze, und das ist das Letzte“, sagt Hannelore und greift zum Satinbody.
Aber die Stimmung wird zunehmend besser: Zwei Damen lästern gekonnt über die Heterosexuellen, eine erzählt schamlos gluckernd von ihrem Doppelleben, und meine Ex-Nachbarin erläutert haarklein die sexuellen Vorlieben ihres Mannes. Die kannte ich allerdings schon aus der Zeit, als sie noch meine Nachbarin war und ich allabendlich eine akustische Direktübertragung durch den Heizungsschacht zu hören bekam.
Beim letzten Sektchen, jede Dame jetzt in Striptease-Stimmung, werden die Scheckhefte für die Dessous gezückt. Babsi stakst triumphierend auf Stöckelschuhen in ihren soeben erstandenen Strumpfhaltern übers Parkett, und ich erstehe eine Packung eßbarer Unterwäsche mit Passionsfrucht- und Schokoladengeschmack. Die kostet nur 19 Mark, und man weiß nie, wofür man die noch brauchen kann. Vermutlich, so die blonde Theologiestudentin fast tonlos, schmecken die wie die Oblaten beim heiligen Abendmahl in der Kirche.
„Love cuffs“, die Handschellen mit dem rosa Puschelfell, sollen anscheinend der „Kindergarten für den härteren Sex“ sein, trompetet Hannelore verächtlich. Aber: Eiswürfelhalter in Penisform und Bügelbrettbezüge mit nackten Männern drauf sind für Frau Müller, Annabella und Babsi goldrichtig. Schließlich sind alle Damen mit erotischem Zubehör ausgestattet. Nur Frau von Duisberg und die Gertenschlanke mit dem Doppelleben sind nicht so recht fündig geworden. Das sei doch bei Beate Uhse alles viel billiger, behaupten sie und werden noch nicht einmal rot. Christina Gottschall
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