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■ Wollen die Grünen Umweltminister Jürgen Trittin entsorgen?Zu links, zu grün, zu forsch

Die grüne Bundestagsfraktion unter Führung von Joschka Fischer und Rezzo Schlauch brennt darauf, ihrem linken Umweltminister Jürgen Trittin den Laufpaß zu geben. Diese Schlußfolgerung drängt sich zumindest auf, wenn eine atmosphärische Verschnupfung zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Trittin bei den Grünen zu einer Diskussion um die Trittin-Nachfolge führt.

Was ist geschehen? Zwischen Schröder und Trittin hat sich vergangeneWoche eine jener Episoden ereignet, wie sie auch in der gemeinsamen Regierungszeit in Niedersachsen vorkamen. Der VW-Vorstandvorsitzende Ferdinand Piäch hatte sich bei Schröder telefonisch über die Haltung des Bundesumweltminister zur EU-Altautoverordnung beschwert und dabei wohl auch die Umgangsformen Trittins gerügt. Dem Anruf folgte einer der Wutausbrüche des Kanzlers. „Den schmeiß' ich raus“, mag er gebrüllt haben, mußte sich dann aber eines Besseren besinnen. Denn auf den Stein des Anstoßes, die EU-Altautoverordnung, hat der deutsche Umweltminister nur noch wenig Einfluß. Als Vorsitzender der EU-Umweltministerkonferenz hatte Trittin deswegen mit Rückendeckung des Kabinetts und in Abstimmung mit dem Kabinett sein möglichstes nicht für die Umwelt, sondern für die deutsche Autoindustrie getan und zuletzt die Behandlung der Richtlinie noch einmal um drei Monate vertagt. Im Bundesumweltministerium betrachtete man deswegen den Knatsch als beigelegt, nachdem Trittin dem Kanzler die Sachlage in Erinnerung gerufen hatte.

Daß diese Episode ein öffentliches Nachspiel fand, hat vor allem mit Scharmützeln bei den Grünen zu tun. Der Verschiebung der Kräfte in der Partei im Zuge des Kosovo-Krieges möchten Joschka Fischer und Rezzo Schlauch nun personelle Konsequenzen folgen lassen. Nach einem Anruf des Kanzlers am Mittwoch hat Fischer deshalb nicht zunächst Trittin informiert, sondern in einem gemeinsamen Gespräch mit Schlauch und dem Kanzler schon mal Namen möglicher NachfolgerInnen ventiliert. Trittin allerdings wird das Feld nicht kampflos räumen. Schließlich gibt es da auch noch den Abschied vom grünen Herzensthema Atomausstieg, den Bundeswirtschaftsminister Werner Müller gerade mit vorbereitet. Trittin trägt die Vorstellungen Müllers bisher nicht mit und weiß bei diesem Thema immer noch eine Mehrheit innerhalb der Grünen auf seiner Seite. Diesen Kampf wird sich Trittin nicht entgehen lassen. Jürgen Voges

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