: Wohnen ohne Auto ist möglich
■ Bremer Gutachter hält aber Vorbehaltsklauseln für notwendig
„Wohnen und Arbeiten ohne Auto“, dieser Vision autofreier gemischter Wohn-und-Gewerbe- Gebiete haben sich verschiedene Arbeitsgruppen in ganz Deutschland verschrieben. Kritiker, die diese Idee aus rechtlichen Gründen für nicht realisierbar halten, werden auf „das Bremer Gutachten“ verwiesen. Die taz sprach mit dem Autor, Professor Peter Derleder von der Universität Bremen.
Können Bewohner per Mietvertrag verpflichtet werden, auf ihr Auto zu verzichten?
Ja. Allerdings ist dieses Ja zu präzisieren, schließlich umfaßt meine Antwort auf diese Frage im Gutachten rund 30 Seiten: Verzichtsklauseln sind möglich, sie müssen aber zumutbar sein. Grundsätzlich kann die Nutzung des Autos in einem Gebiet vertraglich ausgeschlossen werden.
Und geparkt wird anderswo?
Nein, das muß auf jeden Fall vermieden werden. Klar ist, daß sich die Verzichtsklausel nicht nur auf den unmittelbaren Umkreis der Wohnung beziehen kann und die Menschen dann in einer anderen Gegend parken. Das wäre das Letzte, läßt sich aber verhindern.
Und wenn ein Kind 18 wird und ein Auto haben möchte?
Natürlich werden zunächst die Eltern auf das Kind einwirken müssen, um es zu überzeugen. Aber Erfolg ist dabei nicht gesichert. Es läßt sich jedoch auch nicht alles im voraus steuern.
Haben die Klauseln dann überhaupt Sinn?
Ich glaube schon. Sie müssen ja nicht bereits in der ersten Generation wasserdicht sein. Schließlich erlangen die Regelungen Legitimität durch den Wunsch der Leute, die dort einziehen. Die bessere urbane Qualität ist es, was sie sich wünschen.
Wenn ein Bewohner nun aber plötzlich auf ein Auto angewiesen ist, etwa durch eine Verletzung ...
Eine Notversorgung ist ja ohnehin gewährleistet. Daß es möglich ist, den Verkehr durch bauliche Veränderungen in ganz erheblichem Maße zu drosseln, ohne die Durchfahrt zu verhindern, wenn diese nötig ist, haben wir bereits in vielen Städten gesehen. In Einzelfällen müssen eben Überbrückungslösungen gefunden werden. Wenn jemand auf sein Auto angewiesen ist, muß ihm der Zugang ermöglicht werden. Solche Mietvertrags-Klauseln müssen unter Zumutbarkeitsvorbehalt eingefügt werden.
Ist das „Wohnen und Arbeiten ohne Auto“ durchsetzbar?
Ich denke schon, daß die Projekte sowohl rechtspolitisch als auch juristisch realisiert werden können. Es spricht ja nicht nur ein Allgemeininteresse dafür, sondern das Einzelinteresse derer, die sich höhere Wohnqualität versprechen. Interview: Christian Arns
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