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■ Wo waren Sie in der Nacht, als die Mauer fiel?

Die Glotze lief bei mir den ganzen Tag (tut sie sonst nie), und zwar „elf 99“ – die verrückteste Sendung zu dieser Zeit in dieser Stadt. Gearbeitet habe ich nur halb so konzentriert wie nötig – und trotzdem ist mir ein paar Stunden lang nicht aufgegangen, was dieser zettelwurschtelnde Herr Schabowski in dieser Pressekonferenz kundgetan hatte: dass die Mauer durchlässig war. „Ab sofort“. Also nichts wie hin zur Mauer. Zuerst zum Brandenburger Tor. Dann zur Invalidenstraße. Dort herrschte das dickste Gedrängel, das ich je erlebt habe, und ich hatte trotzdem keine Beklemmung. „Drüben“ war ich auch. Ich bin die Invaliden langgetaumelt, vorbei an Ostberlinern, hastig angezogen oder noch im Schlafanzug. Ich wollte in irgendeine Kneipe, aber ich fand keine weit und breit.

Und dann das: Auf dem Wellblechdach der Grenzbaracke ein DDR-Grenzer und ein britischer Soldat, jeder mit Megafon, flehentlich und zweisprachig – das Volk möge doch bitte, bitte nicht so ungestüm drängeln, die Grenzanlagen könnten sonst einstürzen . . .

Pieke Biermann, Autorin

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