: Wo liegt die zweite Chance?
betr.: „Nutzt Europa seine zweite Chance?“ (Wie wird sich die zweite Mondialisation auswirken?), taz.mag Ostern (30.3./1.4.02)
Da auch der 11. September 2001 eine späte Folge der „ersten Globalisierung“ ist, lohnt es sich, o. a. Frage nachzugehen, zumal Karl Schlögel diese nicht näher definiert und sich auf eine Heroisierung des Bürgermeisters von New York beschränkt. Auch wenn er „Rom, Paris, Schanghai, Moskau, Lagos oder Teheran“ mit New York gleichzusetzen versucht, der Anschlag erfolgte nicht ohne Grund auf New York. Und der Ausbruch des Ersten und Zweiten Weltkrieges erfolgte nicht, weil die kulturelle und wirtschaftliche Globalisierung Europas nicht aufzuhalten war, sondern weil die „verspätete Nation“ Deutschland sich nach der Bismarck’schen Reichsgründung nicht zu einem Kulturfaktor, sondern zur stärksten Industrie- und Militärmacht auf dem Kontinent entwickelte und damit zu einem Konkurrenten der Angloamerikaner.
Solange Europa sich mit der Osterweiterung der EU und der Nato auf seine wirtschafts- und sicherheitspolitischen Interessen beschränkt, ist nicht zu erkennen, wo Europas „zweite Chance“ liegen soll. Denn durch die Osterweiterung der EU und der Nato werden neue Grenzen in Europa errichtet, die zu neuen Konflikten führen können, wie Samuel Huntington das in seinen umstrittenen Thesen vom „Kampf der Kulturen“ aufzeigt. Und es ist fatalistisch, wenn Karl Schlögel dazu nichts anderes einfällt, als „dass man aus der Geschichte nichts lernt und nichts lernen kann“.
HORST REGER, Essen
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