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Wo es am meisten wehtut

■ Coolness als vielschichtige Angelegenheit: Das Fama-Kino windet sich diesen Monat in Blaxploitation-Extase

Riecht nach einem Schulterschuß von Fürsorge und Vergeltung: Weil fiese Drogenhändler ihre kleine Schwester heroinabhängig gemacht haben, packt die große Schwester die Dealer-Schweine dort, wo es am meisten wehtut, und räumt auf. Zwischentöne gibt es hier nicht. Alles kommt in Großaufnahme und knallt Feind wie Zuschauer gleichermaßen ins Gesicht. Racheengel „Coffy“ ist Exekutionskommando und Mrs. „Superbad“ in einer Person. Eine schwarze Frau, die im Wortsinne Arsch tritt und einen Raum beherrscht, in dem sich das Recht auf Rache der einen darauf stützt, daß die anderen das ihre auf Mitleid leichtfertig verspielt haben. Coffy wurde von Mrs. „And-God-Created“ Pam Grier verkörpert. Bravouröses Blaxploitation-Entertainment von 1973, mittendrin in der Hochzeit des Soul. Das Fama zeigt diesen Monat gleich drei Klassiker des schwarzen Kinos. Natürlich mit der Grier, ihrem sexy Bauchnabel sowie der zwangsläufig entsicherten 45er Magnum – und zwanzig Jahre vor Jackie Brown.

Coolness hat mindestens eine Geschichte und funktioniert in diesem Fall als vielschichtige Angelegenheit: „Coffy is the color of your skin, Coffy is the color of the world you live in...“ sang Roy Ayers samt Band Ubiquity im Soundtrack zu der zweiten von insgesamt drei Kooperationen von Pam Grier und Regisseur Jack Hill und umkreiste in diesen Zeilen die musikalischen, politischen wie soziokulturellen Ebenen des Genres.

Ein Schauplatz, der auch auf Jack Starrets Produktion Cleopatra Jones, der ebenfalls 1973 entstanden ist, zutrifft. Die andere große Exponentin weiblicher Blaxploitation-Extase neben Grier, Tamara Dobson, gibt hier eine Kung-Fu-kämpfende CIA-Agentin im Kampf gegen das internationale Drogengeschäft. Gemeinsam mit John Shaft wäre die Handkanten-Künstlerin das amerikanische Gegenstück zum britischen Agenten-Overkill-Duo James Bond und Emma Peel gewesen.

Im dritten und letzten Streifen, Across 110th Street von Barry Shear, müssen ein italienischer Polizist (Anthony Quinn) und sein schwarzer Kollege (Yaphet Kotto) in einem Fall ermitteln, in dem drei Schwarze von der Mafia gejagt werden, weil jene der Verbrecherorganisation Geld geklaut haben. Die gesamte Musik stammt von Bobby Womack, sein smarter Titelsong wurde der Signifikanz halber rund zwei Dekaden später in Quentin Tarantinos Schmelztigel Jackie Brown verwendet. Nur daß diesmal Godmother Grier dazu durch die Wandelhalle stolzierte. Geht in Ordnung. Weil: Bleibt halt alles in der Familie.

Oliver Rohlf

Coffy: Do, 8. bis Sa, 10. April, 22.30 Uhr. Across 110th Street: Fr, 16. und Sa, 17. April, 22.30 Uhr. Ein Fall für Cleopatra Jones: Fr, 23. und Sa, 24. April, 22.30 Uhr

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