piwik no script img

■ VorlaufWitwentröster-TV

„Zu Gast bei Ulrich Tukur“, So., 11 Uhr, N3

Zuerst habe er sich an die Stirn getippt: „Bekloppt! Es wird genug gequasselt!“ Nun quasselt Ulrich Tukur aber doch. Sonntags vormittags. Im Dritten. „Minderheitenfernsehen“ sei das, was er macht. Dabei ist die Minderheit eigentlich gar keine, die der Mann meint, der mal als „Knödeltenor“ anfing und neben seiner steilen Karriere als Charakterdarsteller (von Hans- Albers-Hommage bis „Tanzpalast“-CD) schon immer gern Schmalzig-Nostalgisches aufgetischt hat. All diejenigen nämlich, die damals, in den dreißiger Jahren, zur leichten Muse das Tanzbein schwangen oder die Ufa-Stars anschmachteten, stellen ja heute die größte und fernsehfreudigste Altersgruppe. „Zu Gast bei Ulrich Tukur“ setzt daher auf deren Wiedersehensfreude, geborgten „Sooo wird's nie wieder sein“-Glanz und Tukur selbst, den Witwentröster und Lieblingsneffen älterer Damen. Weswegen er das zweifelsohne dankbare Publikum denn auch nicht weiter damit behelligt, daß es sich bei der Unterhaltungskultur im Deutschland jener Zeit bekanntermaßen um ein eher düsteres Kapitel handelt. Nein, Quasseln à la Tukur – das geht ganz locker vom Hocker, dem Klavierhocker meistens, denn beim In-die-Tasten-Hauen – mal mit, mal ohne Altherren-Band, der „ältesten Boygroup der Welt“, die als Running Gag immer wieder anstelle der Gäste ermattet aufs Talksofa sinkt – ist er genauso flink wie mit dem Mundwerk.

Und doch will er „nach unten graben“. Aber so was ist ein Ding mit Zeit. Doch Zeit hat Tausendsassa Tukur eigentlich keine, da er ja Hausherr der renommierten Hamburger Kammerspiele ist, wo er mal eben in den Logensaal im Keller hinabsteigt, um seine Piano- Plaudereien fürs Fernsehen aufzuzeichnen und mit einer Nana Qualdi ein bißchen zu schäkern. Weswegen er dann doch, wie er selber zugibt, „oft im Oberflächlichen stecken bleibt“. Doch wen stört das schon? Schließlich will Tukur „nur ein bißchen mit dem Medium spielen“. Was ja eigentlich das Verkehrteste nicht wäre. Da zählt jeder Versuch. Ulla Küspert

Weitere Tukur-Talks folgen: 26.10. und 2.11.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen