: „Wissentlich 150 Mio unterschlagen“
■ Grüne: Haushälter planen „löchrigen Käse“ / Vulkan vergessen, Lagerhaus gestrichen
Den Bremer Schuldenberg abbauen und die Wirtschaftskraft durch Investitionen stärken, das ist das erklärte Ziel der großen Koalition. Nichts davon passiert, erklärte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Dieter Mützelburg (Grüne), gestern nach Abschluß der viertägigen Beratungen des Ausschusses. In den ersten drei Monaten dieses Jahres seien gerade 100 Millionen Investitionen getätigt worden, im vergangenen Jahr waren es immerhin 150 Millionen im ersten Quartal, berichtete Mützelburg. Und der Haushaltsentwurf, in dem unter dem Strich keine Mark für den Schuldenabbau übrig bleibe, sei in Wahrheit ein „löchriger Käse“, sogar die Finanzpolitiker von SPD und CDU hätten intern für den Herbst einen Nachtragshaushalt in Aussicht gestellt.
eine Stunde nachdem die Vertreter der Koalition nicht in der Lage waren, die Ergebnisse ihrer Beschlüsse den Presse vorzustellen (vgl. „Schrörsout“), präsentierte Mützelburg eine sachkundige und detaillierte Kritik. Viele Zahlen in dem Haushaltsentwurf seien „frei erfunden“, Ausgaben geschönt, Einnahmen konstruiert. Zum Beispiel: 3,4 Millionen Bafög-Kosten wurden im Bildungs-Etat „gespart“ und einfach dem Wissenschafts-Etat aufgedrückt. Wie die Hochschulen, die heftig protestieren, das einsparen sollen, ist offen. Im vergangenen Jahr stiegen die Sozialhilfe-Kosten um 8,5 Prozent. Im Etat 1996 ist die Steigerung einfach mit 5 Prozent „geplant“. Ein 14 Millionen-Loch im Bildungsetat wurde nach Bremerhaven verschoben. Und während die Koalitionäre für das Parlament Steigerungen von 7,5 Prozent (1996) und 9 Prozent (1997) einplanten, setzten sie das Ergebnis der bundesweiten ÖTV-Tarifrunde einfach auf Null. „Die Koalition hat wissentlich 150 Millionen unterschlagen“, summiert Mützelburg.
Dazu käme: Keine Vorsorge für die sinkenden Steuerprognosen, für die 400 Millionen Bürgschafts-Risiko bei einem Vulkan-Konkurs, für steigende Sozialkosten in Folge der Vulkan-Krise. Dafür neue Schattenhaushalte, die Mützelburg auf insgesamt 300 Millionen schätzt. Detaillierte Angaben darüber hätten die Beamten aus dem Finanzressort dem Vorsitzendes des Haushaltsausschusses nicht machen wollen. Auch die Grundsatzposition des Finanzsenators, nicht über Leasing-Modelle anfallende Kosten in spätere konsumtive Etats zu drücken, gilt nicht mehr: „Da ist Nölle heute umgefallen“, sagt Mützelburg, selbst Hochschulgebäude sollen „geleast“ werden.
Und wenn die ÖTV doch einen Inflationsausgleich durchsetzt? Dann sollen mehr Stellen gestrichen werden, hätten die Finanz-Leute erklärt. Mützelburg fällt dazu nur ein, daß die für 1995 geplanten Stellenstreichungen noch nicht realisiert sind.
„Gewinner“ der Haushaltsrunde ist das Sportressort: Da dürften Investitions-Mittel für laufende Ausgaben genutzt werden (eigentlich ein Bruch von Haushaltsgrundsätzen), dafür sind 3 Millionen Investitionen aus dem ISP versprochen. Aber das ISP wird im Senat erst Ende des Monats verhandelt.
Nicht nur die Hochschulen haben ihren Protest angemeldet, auch die soziokulturellen Projekte sollen offenbar zur Ader gelassen werden. 1995 hatte das Lagerhaus Schildstraße noch 690.000 Mark für eine lange Liste von soziokulturellen Initiativen. 1996 sollen es noch knapp 500.000 Mark sein, 1997 dann nur noch 380.000 Mark. Das Lagerhaus sieht sich „existentiell gefährdet“. K.W.
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