piwik no script img
taz logo

wortwechselWird Rebellion strafbar – in Europa?

Puigdemont – ein Verbrecher? Was entscheidet die deutsche Justiz? Und warum leugnet Europa so standhaft den historischen Einfluss des Islam auf die eigene europäische Kultur?

Der Kopf der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Hier in den Händen einer Demons­trantin in Barcelona. Zurzeit in den Händen der deutschen Justiz Foto: Sergio Perez/reuters

betr. „Es gilt immer noch die Gewaltenteilung“, taz vom 27. 3. 18

Puigdemont im Visier

Die Auslieferung Puigdemonts wird alles andere als eine Formsache werden. Es gibt im deutschen Recht keinen Straftatbestand „Rebellion“. Puigdemont hat weder Staatsgeheimnisse verraten noch Landfriedensbruch begangen. Er ist auch kein Mitglied einer terroristischen Vereinigung oder hat zu Gewalt aufgerufen. Im Übrigen zeichnen sich die Proteste in Katalonien überwiegend durch Gewaltfreiheit aus. Gewalt ausgeübt haben bisher hauptsächlich die Staatsorgane der Zentralregierung in Madrid. Sollte ein deutsches Gericht die Auslieferung dennoch beschließen, wäre das ein politischer Skandal. Den sich allerdings der deutsche Staat dann selbst eingebrockt hat. Wie kann man nur so blöd sein, Puigdemont auf deutschem Boden zu verhaften und sich damit das ganze ­Abspaltungsproblem Kataloniens ans Bein zu binden? Hartmut Graf, Pinneberg

Deutschland übereifrig?

Mit der Verhaftung des früheren katalanischen Regierungschefs Puigdemont hat sich Deutschland nun mitten in einen gefährlichen politischen Konflikt katapultiert, der eigentlich nur in Spanien selbst gelöst werden kann. Was hat die deutsche Polizei nur dazu bewogen, Herrn Puigdemont zu verhaften, und es nicht so zu handhaben wie die anderen Staaten (Belgien, Schweiz, Finnland und Dänemark), in denen der Katalane auch unbehelligt blieb? Diese Übereifrigkeit der Polizei und Justizbehörden hätte ich mir viel lieber mal bei der Festnahme des Berliner Weihnachtsmarktattentäters Amri gewünscht! Nun kann man eigentlich nur noch hoffen, dass sich die deutschen Behörden nicht zum Handlanger eines machtbesessenen spanischen Ministerpräsidenten Rajoy machen lassen und stattdessen eine Auslieferung verweigern. Denn es kann nicht sein, dass man die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen mit fragwürdigen Straftatbeständen zu lösen versucht und unbequeme, kritische Politiker einfach einsperren lässt.

Thomas Henschke,, Berlin

Und Spaniens Justiz?

Der Kommentar greift zu kurz. Bei der Causa Puidgemont kommt es nicht nur auf die Unabhängigkeit der deutschen, sondern auch der spanischen Justiz an, wobei Letztere schon dadurch bezweifelt werden darf, wenn man sich vor Augen hält, wie schnell gegen den früheren katalanischen Regionalpräsidenten beim Vorwurf der Untreue gerade im Vergleich zu den Korruptionsfällen von Politikern der in Madrid regierenden Partido Popular ­ermittelt wird. Zudem bedürfen die „demokratischen Mindeststandards“ einer Differenzierung, da gerade in der Amtszeit von Mariano Rajoy viele kritische Journalisten ihren Job verloren haben. Die EU sollte hier nicht weiter wegsehen, wenn sie sich wirklich als eine echte Wertegemeinschaft begreift, zumal ebenfalls das Problem der empörend hohen Jugendarbeitslosigkeit dahingehend „gelöst“ wurde, dass man die jungen Menschen, die sich um ihre Zukunft betrogen fühlten und für ihre Rechte demonstrierten, eher kriminalisierte!

Rasmus Ph. Helt, Hamburg

Ein politisches Urteil

Und jetzt liegt der Ruf unseres mit Mühen demokratisch gewordenen Landes ausgerechnet in den Händen von Juristen, deren Lehrer möglicherweise noch unter Otto Georg Thierack ihr Handwerk gelernt haben. Die werden unter Umständen der Anfrage der offensichtlich vom Geist der Falange durchwehten spanischen Kollegen entsprechen und damit unserem Land ein ganz ganz übles Danaergeschenk ins Osternest legen. Nee, nee – Gewaltenteilung hin oder her, politische Fragen müssen politisch entschieden werden, die politischen Folgen werden wir ja auch zu schultern haben. Puigdemont ist kein Autodieb, und das, was da einem deutschen Amtsgericht aufgebürdet wird, ist kein juristischer Verwaltungsakt. Da darf sich die Politik nicht wegducken! Das ändert aber alles nichts daran, dass Separatisten Dummköpfe sind, die den Schuss nicht gehört haben.

Klaus-Joachim Heuser, Gütersloh

betr.: „Wie viel Islam steckt in Europa?“,

taz vom 26. 3. 2018

Islamische Einflüsse

Gerade die Begegnung von Völkern, Kulturen und Religionen, nicht zuletzt des Islams mit Christentum und Judentum, haben Innovationen und Erfindungen von höchst nachhaltiger Wirkung angeregt. Mathematik und Astronomie waren bereits bei den Babyloniern in voller Blüte. Die Kunst der Bewässerung war in den vorderasiatischen Staaten seit langer Zeit eine geläufige Praxis. Mit der Übernahme der Irrigation auf europäischem Boden konnte – zusammen mit der Übernahme neuer Kulturpflanzen – eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität erreicht werden, und sie verschaffte Handel und Städtewesen Aufschwung und Wohlstand. Mit der Ausbreitung des Handels zwischen Okzident und Orient war auch ein weiterer Kulturtransfer gewährleistet. Es wäre eigentlich an der Zeit, die Geschichtsbücher der Schulen an die historischen Tatsachen anzupassen, damit dem Islam und der islamischen Kultur der richtige Platz bei der Entstehung der europäischen Kultur zugewiesen wird.

Helga Schneider-Ludorff, Oberursel

Fakten, Fakten, Fakten

Dank an die taz und besonders an Ingrid Thurner!

Nur durch solche meinungs- und mainstreamunabhängigen Darstellungen können „Politiker“, rechter und linker Populismus, Vollhorste und andere „Volksvertreter“ der ihnen zumeist innewohnenden Unkenntnis geschichtlicher Fakten überführt werden. Auf diese Weise sollte auch eine Linke in Europa üben, den Rechten sachkundige und belegbare Argumente anstelle von „Affengebrüll“ entgegenzuschleudern, bevor sie weiter sang- und klanglos in der politischen Versenkung zu verschwinden droht.

Thomas Schwarz, Riegelsberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen