: Wir wollen Benno!
■ Rhetorische Abstürze des Wochenendes
Samstag für Samstag wird der arglose Begutachter des fußballerischen Fernsehprogramms derart mit verbalen Ungeheuerlichkeiten zugeschüttet, daß er schon nach wenigen Minuten völlig ratlos der Frage gegenübersteht, wer denn eigentlich den größten Blödsinn auf diesem Gebiet verzapft. Topkandidaten allzeit die reportierenden und moderierenden Enkel des Heribert Faßbender, die von „galanten Pässen“ schwadronieren und immer noch nicht begriffen haben, daß die Dreipunkteregel nicht dazu da ist, Unentschieden zu verhindern. Hätte man dies bezweckt, wäre der „sudden death“ eingeführt worden. Zwar gab es am 9. Spieltag fünf Unentschieden, aber mit insgesamt 18 Toren. Dagegen ist wenig einzuwenden.
Über die Auslassungen der Spieler breiten wir den Mantel des Schweigens. Ihr Job ist das Treten des Balles – Absolution erteilt. Das gilt nicht für Trainer und Funktionäre, schon gar nicht die vom HSV. Es klingt verwegen, aber bereits nach einem Spiel der Hamburger unter den neuen Heilsbringern sehnt man sich nach den alten Totengräbern zurück. Bei Benno Möhlmann spielte der HSV zwar auch immer nur Unentschieden, aber der Trainer sprach wenigstens deutliche Worte. Anders der neue Coach Felix Magath, der schon nach einer Woche dreinschaut wie andere nach jahrelangem Abstiegskampf. Die Mannschaft habe sich „bemüht, das Spiel gewinnen zu wollen“, stellte er nach dem 2:2 gegen 1860 fest. Tiefer kann man die Anforderungen kaum schrauben.
Und Uwe Seeler, der Präsident? „Wir wollten versuchen, das Spiel zu gewinnen. Das haben wir leider nicht geschafft. Jetzt müssen wir eben versuchen, in Freiburg zu gewinnen.“ Und dann auch noch dies: „Es sind individuelle Fehler passiert. Aber das ist eben Fußball.“ Mensch Uwe! Redet so ein Fußballgott, ein Hoffnungsträger, ein Messias? Ein bißchen Sprachunterricht bei Freund Franz tut bitter Not. „Des war a Schmarrn, was wir in den letzten Minuten zsammengspuilt haben. Aber gegen diese schwarzwäldischen Fußballzwerge werden wir zeigen, was eine internationale Spitzenmannschaft ist. Wir sind der HSV. Wer soll uns schon das Wasser reichen?“ So muß das klingen.
Aber trotz allen gestammelten Kleinmuts, auch dem HSV bleibt die Palme der größtmöglichen Idiotie des Wochenendes erspart. Diese gebührt eindeutig den Redakteuren der Zeitschrift Focus, welche, glaubt man den TV-Werbespots, in ihren Konferenzen einen solch unterirdischen Schwachsinn daherreden, daß dagegen selbst ihr fragwürdiges Produkt eine nobelpreiswürdige wissenschaftliche Abhandlung darstellt und Uwe Seelers Analyse wie eine Rede des Demosthenes anmutet. Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen