: „Wir werden Zusammenstinken“
■ Abschied nehmen vom verkehrsberuhigten Leben im Mauerschatten / Bürger und Beamte debattieren die neuen Verkehrsprobleme entlang der (ehemaligen) Mauer
Kreuzberg. Was sich zur Zeit auf den Straßen Berlins abspielt, ist erst der Anfang. Darin waren sich die Vertreter von Senat, Magistrat und Bürgerinitiativen einig, die am Wochenende im U-Bahnhof Schlesisches Tor über die Verkehrsbelastungen durch die Maueröffnung diskutierten. Dennoch beteuerten die Senatsvertreter, daß das vorhandene Straßennetz nicht ausgebaut werde, sondern vorrangig in den schienengebundenen Verkehr investiert werden müsse. Ein ganzstädtisches Verkehrskonzept gibt es noch nicht, dafür aber die Prognose, daß sich Berlin als Haupt- und Olympiastadt auf einen Bevölkerungszuwachs in Millionenhöhe einstellen muß. Bernd Mische, Leiter des Tiefbauamtes Kreuzberg, setzt auf Verteilung des Verkehrs. Um Berlin -Mitte zu entlasten, sollen in Kreuzberg die Schlesische und Köpenicker Straße für Kraftfahrzeuge geöffnet werden. Eine Erweiterung der U-Bahnlinie 1 zur früheren Endstation Warschauer Brücke wird im Regionalaussschuß geprüft, ebenso Pläne für Straßenbahnverbindungen über die Oberbaumbrücke oder zwischen Eberswalder und Bernauer Straße.
Mit jedem neuen PKW-Übergang hat auch das ruhige Leben im Schatten der Mauer ein Ende. In der Prinzenstraße, wo sich täglich über 15.000 PKW über die Grenze schieben (Früher waren es etwa 300), sehnen sich die Anwohner nach der Zeit vor der Maueröffnung zurück. Im Ostberliner Büro für Verkehrsplanung wird zwar ebenfalls dem Ausbau des schienengebundenen Verkehrs Vorrang eingeräumt, daneben liegen aber alte Pläne wieder auf dem Tisch, wie zum Beispiel für eine Autobahnverbindung von Treptow nach Neukölln. Die Straße „Unter den Linden“ soll vom Durchgangsverkehr befreit werden. Stattdessen denken die Ostberliner Stadtplaner an einen sechsspurigen Ausbau der Leipziger Straße. Für Matthias Klipp, Mitglied der Bürgerinitiative Oderbergstraße vom Prenzlauer Berg, ist das „Zusammenstinken“ der beiden Stadtteile nicht mehr aufzuhalten.
Claudia Haas
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