■ Bonn-apart: Wir warten auf Rudolf
Bonn (taz) – Würden Sie da noch zögern? „Das Haus ist geputzt, der Rasen geschnitten, die Blumen sind arrangiert, der Begrüßungschoral ist eingeübt – selbst der Pfälzer Wein kühlt erwartungsvoll vor sich hin ...“ Doch der Gast, auf den Marianne Birthler und Ludger Volmer ihr Haus so freundlich eingerichtet haben – er meldet sich nicht. Und dabei hatte er sich selbst eingeladen. Eine „bare Selbstverständlichkeit“, hieß es nach Scharpings Gespräch mit Helmut Kohl, sei doch der Austausch eines neugewählten Vorsitzenden mit den anderen Parteichefs. Er wolle auch mit Kinkel und dann mit Sprechern von Bündnis 90/Grüne zusammentreffen. Bei Kinkel war er gestern. Bei den Grünen will er offenbar als Überraschungsgast erscheinen. Denn die milde Mahnung, die die Grünen Birthler und Volmer Mitte der Woche an ihre einladenen Worte anfügen mußten, sie hatte auch gestern noch keine Folgen gezeitigt. „Allein: es fehlt der Termin“, hatten die beiden dezent angemerkt, nachdem sie aus der Presse von den Besuchsabsichten des SPD- Chefs erfahren hatten. Kein Anruf, kein Brief aus dem Ollenhauer-Haus – trifft auch hier zu, daß die SPD grüne Attitüden immer dann übernimmt, wenn diese sie gerade abstreifen? Gelegentlich sollte man bei den eigenen Traditionen bleiben – schlechte Manieren sind kaum nachahmenswert.
Zu den angenehmen Erwartungen, die sich mit dem Ende der Sommerpause verbinden, gehören die künftigen Bundestagsdebatten. Nicht ihres rhetorischen Glanzes wegen, nein, die erste Sitzungswoche im Herbst sollte endlich wieder im neuen Plenarsaal stattfinden. Doch schon Montag traten neue Befürchtungen an die Stelle der schönen Hoffnungen. Zwar hieß es, daß das Rätsel der versagenden Akustik im runden Saal nun endlich gelöst sei. Einstürzende Neubauten, raunte es am Montag durch Bonn – die Aufhängung der Glaselemente im Plenarsaal mußte sicherheitsüberprüft werden. Der Bauausschuß dementierte das Schlimmste, doch bis Freitag hielt die Unsicherheit an. Rudi Walther (SPD) soll im Verlauf der aufregenden Tage geäußert haben: „Das ist so, wie wenn man die falsche Frau geheiratet hat. Dann hat man sein ganzes Leben lang Ärger“. Bei Dietmar Kansy (CDU) ist die Verzweiflung über den unberechenbaren Bau ganz der Bescheidenheit gewichen: „Wir Abgeordneten sind keine Baukontrolleure. Wir wollten nur ein Häuschen haben.“ Gestern stand fest: Der Neubau steht, die Decke hält. Allein: es fehlt der Termin. Die nächste Sitzung ist am gewohnten Ort, im Wasserwerk. T. Bruns
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