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„Wir tragen schwer an der patriarchalischen Bürde“

■ Suha Hindiyeh arbeitet an dem vor vier Jahren gegründeten „Women's Study Center“ in Ost-Jerusalem

taz: Wenn seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen den Israelis und den Palästinensern vermehrt die Rede davon ist, wie man Menschenrechte und Demokratie umsetzt, geht es dann auch um die Rechte der Frauen?

Suha Hindiyeh: Die Diskussion ist im Moment recht allgemein, und über die Rechte der Frauen als ein Aspekt von Menschenrechten wird kaum nachgedacht. Deshalb ist unser wichtigstes Ziel, daß diese Rechte, vor allem die Gleichberechtigung der Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen, in Gesetzen festgeschrieben werden.

Wie?

Das ist das Problem. Es gibt zwar Komitees, Organisationen und Forschungsprojekte, aber ich weiß nicht, ob wir stark genug sind, um die Gesetzgebung zu beeinflussen. Das hat nichts mit der Schwäche der Frauenbewegung zu tun, sondern mehr damit, daß wir keine Frauen haben, die in hohen politischen Posten sind. Ich glaube, die entscheidende Frage ist, ob Frauen es schaffen werden, in hohe Positionen zu gelangen. Und auch dann bleibt offen, ob diese Frauen sich dann noch für die Rechte und Wünsche der Massen interessieren, die hinter ihnen stehen. Das Problem in dieser von Männern dominierten Gesellschaft ist ja, daß die Frauen, die darin an Macht gewinnen, oft in den Fußstapfen ihrer männlichen Kollegen enden.

Während der Intifada waren Frauen sehr aktiv. Hat dieses Engagement die Frauen Handlungsformen gelehrt, die für die Zukunft von Bedeutung sein werden?

Nicht notwendigerweise. Die palästinensische Frauenbewegung – und nicht nur diese – befindet sich in dem Widerspruch, daß sie ihre Handlungsformen von den Männern hat. Die Frauen, die in der Intifada aktiv waren, stammen alle aus politischen Parteien, die von Männern dominiert sind, deren Gedanken sie internalisiert haben. Für die Zukunft, wenn es um die spezifischen Rechte der Frauen und nicht mehr um den Kampf gegen einen äußeren Feind geht, müssen zunächst eigene Handlungsformen entwickelt werden. Wir tragen schwer an der patriarchalischen Bürde.

Inwiefern hatten die 26 Jahre der israelischen Besatzung Einfluß auf die patriarchalischen Familienstrukturen?

Ich will nicht die ganze Schuld auf die Besatzung schieben, aber sie spielte doch eine Hauptrolle darin, daß die Familienstrukturen nicht progressiver geworden sind. Selbst wenn die Männer in den Gefängnissen saßen und die Frauen die Familie zusammenhielten, wenn also rein äußerlich die Frauen an Selbständigkeit und Freiheit gewonnen haben, so standen sie doch unter der Kontrolle der Großfamilie. An den inneren patriarchalischen Strukturen in den Familien hat sich daher wenig geändert.

Und der Einfluß des Fundamentalismus? Inwiefern hindert er die Frauen, zum Beispiel im Gaza-Streifen, sich für ihre Rechte zu engagieren?

Die Frauen im Gaza-Streifen sind viel stärker als die Frauen in der Westbank. Sie leben in härterer Konfrontation mit der Besatzung. Die Frauen dort sind viel besser koordiniert als wir. Vielleicht weil sie in einer Isolation leben, müssen sie stärker zusammenhalten. Der ausgeprägte Fundamentalismus im Gaza-Streifen hat nicht zur Folge, daß die Frauen selbst so denken. Man merkt ihnen an, daß sie sich nur ungern in diese Rolle pressen lassen, man sieht ihnen an, daß sie die Gewänder und die Kopfbedeckung nicht gerne tragen. Und viele von denen, die es freiwillig tun, sind nur religiös, nicht fundamentalistisch. Sie sind stark, und sie haben die Zeit genutzt, die Strukturen zu analysieren und Nischen zu finden, wo sie ihren Einfluß geltend machen können. So sind sie zum Beispiel dafür zuständig, mit wem die Kinder verheiratet werden. Das ist ein Bereich, in dem sie ihren Einfluß geltend machen.

Was ist mit der palästinensischen Führung, kümmert sie sich um die Menschenrechte, interessiert sie sich für die Rechte der Frauen?

Nein. Die palästinensische Führung ist ein Mann: Arafat. Er entscheidet alles alleine, und die Clique um ihn herum kümmert sich auch nur um sich selbst. Dennoch wurde jetzt eine unabhängige palästinensische Kommission gebildet, die sich um die Wahrung der Menschenrechte kümmern soll. Arafat hat diese Kommission ins Leben gerufen und Hanan Aschrawi in die Hände gegeben. Die Frage ist allerdings, worum es sich eigentlich handelt. Ist es tatsächlich eine regierungsunabhängige Organisation, oder ist es nicht vielmehr eine Regierungsorganisation?

Angenommen, es ist eine der Führung nahestehende Organisation, würden Sie dann mit ihr zusammenarbeiten?

Hanan Aschrawi hat gesagt, sie wolle mit uns zusammenarbeiten, und wir werden das nicht von vornherein ablehnen. Wir arbeiten dann mit der Regierung zusammen, wenn es uns hilft, unsere Ziele durchzusetzen. Interview: Julia Albrecht

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