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DokumentationWir sind erschreckt und bedrückt

■ Offener Brief von Atomwissenschaftlern an Jacques Chirac

Zum 50. Jahrestag des ersten Atomwaffentests haben Mitglieder der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, die Naturwissenschftler-Initiative „Verantwortung für den Frieden“ sowie die Göttinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Frieden und Abrüstung in Göttingen diesen offenen Brief an Präsident Chirac geschrieben:

Sehr geehrter Herr Präsident,

Ihre Ankündigung, mit einer neuen Testserie die Kernwaffenversuche wieder aufzunehmen und damit das 1992 verkündete Moratorium aufzukündigen, erschreckt und bedrückt uns.

Es sind erst zwei Monate vergangen, seit eine unbefristete Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages von Kernwaffen erfolgreich beschlossen wurde. Die Nichtkernwaffenstaaten haben letztlich ihre verbliebenen großen Bedenken zurückgestellt, weil die Kernwaffenstaaten versicherten, bei weiteren Tests „äußerste Zurückhaltung“ zu üben. Zu unserem großen Bedauern und unter dem Protest der Völkergemeinschaft ist die Volksrepublik China durch einen Kernwaffentest kurze Zeit danach ausgeschert. Daß Frankreich diesem Beispiel nachfolgen will, bestürzt uns. (...)

Das von den Nichtkernwaffenstaaten mit ihre Forderung nach einem umfassenden Teststopp angestrebte Ziel einer letztlich kernwaffenfreien Welt wird durch Ihre Entscheidung, Herr Präsident, in ihrer Grundtendenz verfälscht. Damit wird im Gegensatz zum Geist des Teststoppvertrages der qualitative Rüstungswettlauf weitergetrieben. In unser kleiner gewordenen Welt kann eine solche Entscheidung sich nicht mehr einfach auf staatliche Souveränität berufen. Durch den Nichtverbreitungsvertrag wurde von anderen Ländern vernünftigerweise abverlangt, ihrerseits zum Wohl aller einen Teil ihrer Souveränität zu opfern. Es alarmiert uns, daß gerade die Regierung einer europäischen Großmacht sich dieser offensichtlichen Vernunft verschließt. Erschwerend kommt dazu, daß diese Kernwaffenversuche in einer Region der Erde durchgeführt werden, die weit vom Mutterland Frankreich entfernt liegt und deren Menschen sich seit Jahren mit allen Mitteln vergeblich gegen die Mißachtung ihrer Interessen und die Gefährdung ihres Lebens gewehrt haben.

Gerade jetzt, da wir zum 50. Male der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki gedenken, appellieren wir mit großem Ernst an Sie, Ihre Entscheidung nochmals zu überdenken.

Wir wünschen Ihnen den Mut, Ihre Entscheidung rückgängig zu machen.

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