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„Wir müssen das auf unsere Art erledigen“

■ Die Mädchenbeschneidung läßt sich allein durch Gesetze nicht beenden, meint die Ärztin Mawaheb El-Mouelhy

Die Gynäkologin Mawaheb El- Mouelhy ist verantwortlich für die Abteilung Frauengesundheit (Reproductive Health) im ägyptischen „Komitee Nichtstaatlicher Organisationen für Bevölkerung und Entwicklung“. Vorher arbeitete sie im Bereich öffentliche Gesundheit. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt im Kampf gegen genitale Verstümmelung von Frauen.

taz: Was halten Sie von der neuen Initiative des ägyptischen Gesundheitsministers gegen die Frauenbeschneidung?

El-Mouelhy: Wir begrüßen diese Initiative sehr. Sie ist um so erfreulicher, als damit eine Entscheidung von vor zwei Jahren revidiert wird, nach der die Klitorisbeschneidung in den staatlichen Krankenhäusern zugelassen wurde. Damals kam die Regierung mit dem Argument, es sei viel besser, die Operation unter medizinischer Aufsicht durchzuführen anstatt durch unausgebildete Menschen außerhalb der Krankenhäuser.

Ist das denn ein grundsätzlich falsches Argument?

Das hat die Hebammen und Barbiere nicht davon abgehalten, weiter zu arbeiten. Und seit dem alten Beschluß sind weiter Mädchen gestorben.

Welches ist die beste Methode, diese Tradition abzuschaffen? Kann die Regierung etwas verbieten, was nach neuesten Zahlen an über 90 Prozent der Frauen praktiziert wird?

Das ist sehr kompliziert. In der Praxis bedeutet dieser neue Vorstoß des Gesundheitsministers, daß die Fälle verfolgt werden, in denen eine Anzeige erfolgt, das heißt wohl meist in den Fällen, in denen bei dem Mädchen Blutungen oder andere Komplikationen eintreten, an denen sie womöglich sogar stirbt. Es wird nicht möglich sein, die ganze weitverbreitete Praxis der Klitorisbeschneidung unter Kontrolle zu bringen. Wer soll denn jeweils die Anzeige erstatten, die Familie, die das Mädchen zum Barbier geschickt hat, oder gar der Barbier selbst?

Wie kann diese Maßnahme dann vervollständigt werden?

Es gibt eine klare Korrelation zwischen dem Bildungsgrad und genitaler Verstümmelung von Frauen. Je besser die Bildung, um so geringer die Chance, daß die Töchter beschnitten werden. Es muß darum gehen, durch formelle und informelle Bildung Bewußtsein zu schaffen. Das wird natürlich bei einer derartig verwurzelten Tradition nicht über Nacht geschehen.

Zu den Forderungen der ägyptischen nichtstaatlichen Organisationen zur Weltbevölkerungskonferenz 1994 gehörte es, eine Informationskampagne zu starten. Sie sollte besonders auf die Mütter und Großmütter zielen, die die Tradition der Frauenbeschneidung besonders unterstützen. Wieso mutet eine Frau, an der selbst die schmerzliche Operation mit allen ihren Folgen vollzogen wurde, das auch ihrer Tochter zu?

Oft haben Mütter oder Schwiegermütter in der Familie eine starke Position, aus der sie ihrer Tochter oder auch dem Sohn und dessen Frau etwas aufzwingen können. Sie glauben, daß ihr Handeln die Tochter beschützt. Sie glauben, daß ihre Tochter und ihre sexuelle Gefühle ohne die Operation nicht mehr kontrollierbar ist und damit ihre Chancen auf eine Heirat verwirkt sind. In unserer Kultur ist das äußerst schwerwiegend. Die Frauen tun das in guter Absicht, um sicherzustellen, daß das Mädchen später heiraten kann. In ihren Augen bedeutet die Beschneidung einen Schmerz für ein gutes Ziel. So als ob man eine besonders bittere Medizin schluckt, um kuriert zu werden. Genau diesen Ideen müssen wir hier behutsam entgegenwirken.

Welche Solidarität erwarten Sie von Frauen aus dem Norden?

Wenn Menschen aus einer anderen Kultur von dieser Praxis hören, sind sie natürlich erst einmal total schockiert. Es ist ein riesiger Unterschied zwischen einer Kultur, die sich so etwas erst gar nicht vorstellen kann, und einer anderen, in der es eine tägliche Praxis ist. Sie müssen akzeptieren, daß Kulturen eben unterschiedlich sind und daß es nicht praktikabel ist, Werte einer Kultur unmittelbar auf eine andere zu übertragen. Wir bekommen viel Unterstützung von außen, aber wir würden nicht zustimmen, wenn das damit verbunden ist, uns andere Werte aufzuzwingen. Wir müssen mit den sensiblen Problemen unserer Gesellschaft auf unsere Art und Weise mit unserem Denken umgehen. Wir schätzen es sehr, wenn wir finanzielle und moralische Unterstützung von außen für die Frauengesundheit bekommen. Aber am Ende müssen wir das alles auf unsere Art erledigen. Karim El-Gawhary

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