: „Wir machen das für uns“
■ Selbsterfahrung, Improvisation und Kreativität werden in den Jugendtheatergruppen im Schauspielhaus geprobt Von Jörg Königsdorf
„Was die Leute zu sehen bekommen, ist sowieso nur ein ganz kleiner Teil von dem, was wir alles zusammen erlebt haben.“ Die Teilnehmerin der Backstage-Gruppe „Großraum Schneewittchen“ gibt sich gelassen. „Wenn den Leuten das gefällt, freuen wir uns natürlich, aber eigentlich machen wir das nur für uns.“
Kaum Schöneres hätte sich Michael Müller, Theaterpädagoge am Deutschen Schauspielhaus, vorstellen können, als er mit einigen Ensemblemitgliedern im April vorigen Jahres das Projekt „Backstage-Gruppen“ ins Leben rief. Er wollte damals einfach Jugendliche an das Theater heranführen und hatte dazu an Hamburger Schulen die Werbetrommel gerührt. Schon von Anfang an, so Müller, habe alles so geklappt wie erhofft. So hätten sich die 80 Interessenten spontan auf die vier angebotenen Projekte verteilt. Auch in der Folgezeit hätten die Gruppen Probleme wie zum Beispiel das Ausscheiden und Hinzukommen einzelner Mitglieder gut bewältigen können.
Kennzeichnend für die Intensität der gemeinsamen Arbeit ist, daß von den Konzepten, so wie sie die „großen“ Schauspieler anfangs vorgestellt hatten, mittlerweile kaum etwas geblieben ist. Statt dessen sind während jeder Probe neue Ideen spontan in die Arbeit aufgenommen worden. Das Stück „Der große Putz“, eine Improvisation von fünf bis sechs Putzfrauen, hatte als Versuch über die „Odyssee“ begonnen. Auch „Der 36. Mai“ nach Kästner und „Großraum Schneewittchen“ sind in ihrer jetzigen Form eher Momentaufnahmen eines Gruppenprozesses: „Nein, fertig ist das Stück nie, wir könnten immer weitermachen und es würden immer neue Sachen entstehen.“
Konkret war hingegen von Anfang an die Zielsetzung von „Im Westen nichts Neues“. Dabei stellte sich allerdings ein Problem anderer Art: Das Buch handelt nur von Soldatenschicksalen – die Mädchen haben sich hier ihre Rollen erobern müssen. Sehr schnell merkten alle, wie sehr das Stück dadurch bereichert wurde. In den anderen drei Gruppen überwiegt der Anteil der Mädchen, vielleicht, so mutmaßt eine Teilnehmerin von „Der große Putz“, „weil die Jungens in unserem Alter einfach noch nicht so weit sind, sich für Sachen wie Körperarbeit und Improvisation zu öffnen“.
Der stark improvisatorische Charakter unterscheidet das Projekt auch von dem eher traditionell angelegten „Treffpunkt Thalia“, wo man sich eher an feste Bühnenstücke hält. Die Schauspielhaus- Jugendgruppe hatte ursprünglich gar keine öffentliche Aufführung ihrer Arbeitsergebnisse geplant, und wenn dies jetzt trotzdem geschieht, dann zum einen, „um zu sehen, ob das, was die Gruppe sich ausgedacht hat, auch so bei den Leuten ankommt“. Andererseits aber auch, um durch das Vorzeigen des Erreichten andere Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren zu animieren, sich an den nächsten Kursen im September zu beteiligen.
Wer die Arbeit der BackstageGruppen kennenlernen will, hat dazu am Sonntag ab 11 Uhr auf der großen Probebühne des Schauspielhauses Gelegenheit.
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