■ Wir lassen glotzen: Kultivierte Genügsamkeit
Wenn Heinz Reudenbach über so etwas wie Programm- Marketing oder Übertragungsrechte befragt wird, bekommt der hagere Enddreißiger einen leicht introvertierten Blick, bevor er sagt: „Weiß ich nicht.“ Die Mimik ergänzt: Warum sollte ich auch? Diese Haltung des Vox-Sportchefs ist nur auf den ersten Blick unprofessionell, auf den zweiten hingegen vielversprechend. Wer sich so wenig für Rahmenbedingungen interessiert, der hat vielleicht mehr Kapazitäten für Inhalte. Möglicherweise also startet am Montag der neue Nachrichten- und Magazinsender ein sehenswertes Programm.
Das Fehlen von Smartsein unterscheidet Reudenbach auffällig von Konkurrenzchefs wie Reinhold Beckmann, wobei man die Haltung eines Abteilungsleiters getrost als Hinweis auf den Charakter des Produkts deuten kann. Beckmanns spritzig-witzig-kumpelige Selbstdarstellung entspricht dem fidelen Niveau von „ran“, beide hinterlassen einen schalen Nachgeschmack. In der „Mann sind wir gut drauf“-Sendung ist wenig Platz für Inhalt und viel für quotentreibende Selbstinszenierung. Entsprechend hat Beckmann erst bei Premiere, dann bei Sat.1 seine Sportprogramme mit einem Habitus präsentiert, als habe er persönlich gerade das Medium TV erfunden. Derweil sitzen die Kölner Voxen in kultivierter Genügsamkeit in der „Nische, die uns die anderen gelassen haben“ (Reudenbach).
Aus anderem Blickwinkel betrachtet, zeigt sich hier, was die unaufgeregte Haltung bei Vox möglich macht. Die ein Dutzend Akademikerköpfe starke Sportredaktion ist nicht Verwalter millionenschwerer Ausstrahlungsrechte, muß also nicht wie Sat.1 und RTL auf Biegen und Brechen die Zuschauerzahlen nach oben treiben, um aberwitzige Investitionen zu amortisieren. Womit geklärt ist, was es bei Vox (fast) nicht gibt. Was aber haben die Kölner zu bieten?
Erstens und täglich wird es in der abendlichen Hauptinformationsstunde den etwa zwölfminütigen „Sprint“, ein als Schnelldurchlauf mit „Themenvielfalt“ avisiertes Abklappern der Tagesaktualitäten geben. Soweit die (Informations-)Pflicht. Für die Kür lassen sich die Voxen donnerstags (22.10Uhr) eine Stunde Zeit: In Kooperation mit dem Gruner- &-Jahr-Hochglanzmagazin Sports wird dreimal im Monat ein ebenso genanntes Hintergrundmagazin gesendet sowie einmal monatlich eine Porträtsendung, die „Sports TV-Autogramm“ heißt. „Sports TV“ soll von Menschen, Politik und Geld handeln und wünscht sich laut Pressetext mit Prädikaten wie „engagierte und kompetente Sportberichterstattung, Formenvielfalt und Tempowechsel“ zu schmücken. Erfahrungsgemäß decken sich zum Glück PR-Texte selten mit dem Produkt. Wie sich das ambitionierte Magazin tatsächlich anläßt, ist anhand der videoclipartigen Vorabpräsentation, die die Redaktion etwas atemlos zusammengeschnitten hat, kaum zu erahnen.
Souverän über jeder Rechte- Hechelei steht Vox im übrigen nicht. Eingekauft wurde ein durchwachsenes Angebot: ein zweitklassiges 14teiliges Paket mit Frauentennisturnieren, 14 Profitanzturniere – kommentiert von Channelhopper Hans- Joachim Rauschenbach – und als Highlight die US-Basketball-Liga. Die montägliche Spätsendung (23.15Uhr) mit aufwendigen Rundum-Informationen und der Zusammenfassung eines Spitzenspiels ist in diesem Sonderangebots-Trio sicherlich am prestigeträchtigsten. Wieviele Zuschauer (via Kabel, Satellit oder Antenne) dieses Sportangebot zur Existenzsicherung braucht, ist für Reudenbach – natürlich – keine interessante Frage. Er rekurriert eher auf Inhalte denn auf Quoten, wenn er sagt: „Wir wollen die Möglichkeiten des Mediums testen.“ Katrin Weber-Klüver
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