Wir lassen clicken: Keine Gnade für Janckar
Das PC-Spiel „kicker-Fußballmanager“ kostet Nerven, bietet aber nette Optionen
Es ist zum Haare ausraufen! Erst wartet dieser depperte Mittelstürmer so lange, bis er gar nicht mehr anders kann, als den gegnerischen Torwart anzuschießen, dann schauen die Mittelfeldspieler einfach zu, wie der Libero der anderen Mannschaft mit dem Ball an ihnen vorbeispaziert, und schließlich springt auch noch diese Gurke von Torwart glatt daneben. 0:1 kurz vor Schluss, kaum noch aufzuholen. Der angestrebte Aufstiegsplatz ist in noch weitere Ferne gerückt. Zum aus der Haut fahren!
Wer das PC-Spiel „kicker-Fußballmanager“ lädt, kann sich schnell einfühlen in das Gemüt eines Fußballtrainers, der hilflos vom Spielfeldrand ansehen muss, wie seine Mannschaft die raffiniertesten taktischen Anweisungen in den Wind schlägt und durch törichte individuelle Fehler die Arbeit einer Woche, gelegentlich sogar einer ganzen Saison, glatt zunichte macht. Was hilft die solideste Finanzplanung, das hübscheste Trainingslager, die engagierteste Jugendarbeit, wenn die Ergebnisse einfach nicht stimmen wollen? Einzige Lösung: Noch mehr Verantwortung an sich reißen, wirklich alles alleine machen. Oder aber „Assi-Man“ einstellen, den zwar sündhaft teuren, aber wundersam kompetenten Helfer für alle Fälle, und sich auf Mannschaftsaufstellung, Motivation und Taktik konzentrieren.
Der „kicker-Fußballmanager“ bietet dem Spieler – oder den Spielern (bis zu vier Teilnehmer können online gegeneinander antreten) – nicht nur eine Fülle von Betätigungsfeldern im Verein, sondern auch die Möglichkeit, während der animierten Spiele mit Auswechslungen und taktischen Anweisungen Einfluss zu nehmen.
Gespielt wird eine Art Siebzigerjahre-Fußball. Wenn ein Stürmer den Ball verliert, bleibt er stehen, stemmt die Hände in die Hüften wie weiland Günter Netzer und schaut gelassen dem enteilten Verteidiger hinterher. Von ballorientierter Gegnerdeckung hat noch keiner was gehört, Mittelfeldspieler greifen nur ins defensive Geschehen ein, wenn der Kontrahent sehr nah an ihnen vorbeirennt. Mit steigender Qualität der Teams wird das Spiel aber deutlich engagierter und vielfältiger.
Eines der schwierigsten Probleme stellt sich gleich am Anfang: Die Vereinswahl. Mit Bayern München, Dortmund oder Leverkusen in der Champions League herumdümpeln? Nun ja! Hertha BSC zum erfolgreichen Hauptstadtverein aufmotzen? Interessant, aber für einen Berliner keine sonderlich reizvolle Aussicht! Mit dem SC Freiburg versuchen, durch ausgeklügelte taktische Finessen den Großen ein Bein zu stellen, und dann doch absteigen? Muss nicht sein! Duisburg, Ulm, Unterhaching, Rostock? Gott bewahre! Dann lieber ganz tief in der Vergangenheit gekramt und sich an eine Zeit erinnert, als man noch den Bundesliga-Heimspielen von Eintracht Braunschweig beizuwohnen pflegte. Wäre doch gelacht, wenn man nicht wenigstens auf der virtuellen Ebene dem richtigen Leben ein Schnippchen schlagen und die Niedersachsen in die zweite Liga hieven könnte.
Die Sache lässt sich gut an. Solider sechster Platz in der ersten Saison, dann dick eingekauft, und prompt schießt die Mannschaft, bestückt mit solch versierten Spielern wie „Kotowski“, „Akunnor“, „Dull“ oder „Schüttarle“ nach den ersten Spieltagen auf Rang drei. Doch, oh weh, die Realität lässt sich nicht betrügen. Bald setzen Ermüdungserscheinungen bei den Leistungsträgern ein, die Chancenauswertung ist katastrophal, Verletzungen und Rote Karten tun ein Übriges, es folgt der Sturz ins Mittelfeld, und schließlich droht gar der Abstieg. Schlimmer noch als im richtigen Leben, wo die Braunschweiger trotz beträchtlicher Investitionen alljährlich am Aufstieg scheitern, aber wenigstens im oberen Drittel mitspielen. Da hilft nur eins: Manager feuern und neuer Versuch.
Oder es vielleicht doch lieber mal mit Bayern München probieren. Das hat den Vorteil, dass man Zeitgenossen wie „Janckar“, „Zicklar“, „Effanberg“ oder „Schull“ umstandslos an andere Klubs verhökern, Leute wie „Baslar“ aber behalten kann. Sehr hübsch auch die Rote Karte für „Stronz“ in der 3. Minute seines ersten Einsatzes überhaupt, am 9. Spieltag. Oder die entgangene Meisterschaft, an Wolfsburg (!) verspielt durch eine Heimniederlage im letzten Match gegen Bielefeld (!). Unerreicht indes eine Nachricht, wie sie süßer kaum auf dem Monitor prangen kann: „Ihr Spieler Matthäos hat erklärt, dass er seine Karriere nach Saisonende unwiderruflich beenden wird.“ Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen