piwik no script img

Wir lagern vor Madagaskar

■ „Zwischen“– und andere Lager

Wie baut man ein Zwischenlager? Wer die Antwort im deutschen Atomgesetz sucht, kann lange suchen. Das Wort „Zwischenlager“ taucht in diesem biblischen Werk kein einziges Mal auf. Zwischenlager sind eine Erfindung, die Ende der siebziger Jahre den Atomspaltern gegen die finale Entsorgungungslücke eingefallen war. Inzwischen weiß immer noch kein Mensch, zwischen was eigentlich zwischengelagert wird, denn ein Endlager ist nicht in Sicht. Aber es existieren in–zwischen zwei Zwischenlager in Gorleben (ganz fertig) und Ahaus (halbfertig). Beide sind wie eine Scheune gebaut worden. Das heißt, der „Baukörper“ wurde nach stinknormalem Baurecht genehmigt, weil es ja im Atomgesetz kein Zwischenlager gibt. Die Einlagerung der Brennelemente wurde vom Baukörper abgetrennt und separat nach Atomgesetz Paragraph6 genehmigt. Diese abenteuerliche Konstruktion wird noch konfuser, wenn man weiß, daß Paragraph6 (die Aufbewahrung von Kernberennstoffen bedarf der Genehmigung) nicht den abgebrannten, sondern den „frischen“ Kernbrennstoff betrifft. Aber das macht ja nichts. Das Gesetz wurde Ende der fünfziger Jahre formuliert, als die Zwischenlagerung noch nicht einmal ein sündiger Gedanke war. Das Oberverwaltungsgericht Münster findet das alles in Ordnung. Es hat den Baurecht/Atomrecht–Mix abgesegnet und die Argumentation der Richter aus den ersten vier Verfahren auf den Kopf gestellt. Doch das letzte Wort in Sachen Ahaus ist noch lange nicht gesprochen. Es gibt nämlich noch ein Eilverfahren, ein Abänderungsverfahren, eine erste Baugenehmigung und eine zweite, es gibt eine Verfassungsklage, und vielleicht gibt es sogar einen Menschen, der in diesem Dickicht noch durchblickt. Ich wäre glücklich, ihn kennenzulernen. Manfred Kriener

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen