: „Wir haben noch immer Bürgerkrieg in Georgien“
■ Nationalgarde-Chef und früherer Verteidigungsminister wurden von Gamsachurdia-Anhängern entführt
Tiflis (ap) — Anhänger des gestürzten georgischen Präsidenten Swiad Gamsachurdia haben Regierungsangaben zufolge gestern den Führer der Nationalgarde und den früheren Verteidigungsminister entführt. Regierungssprecher Sergej Tschernich sagte in Tiflis, Informationen über den Verbleib von Georgi Karkaraschwilli und Abeslom Kuteadse gebe es nicht. Er fürchte, die beiden in der westgeorgischen Stadt Sugdidi entführten Männer seien umgebracht worden. Die Anhänger Gamsachurdias hätten Sugdidi von drei Seiten angegriffen. Mit Hubschraubern werde inzwischen Verstärkung in die Stadt gebracht, in der sich mehrere hundert Anhänger Gamsachurdias verschanzt halten. „Wir versuchen, diesen Aufstand zu unterdrücken“, sagte er.
Der neue georgische Staatschef Eduard Schewardnadse bekräftigte unterdessen, daß Georgien nicht der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) beitreten werde. Der ehemalige sowjetische Außenminister äußerte sich bereits am Donnerstag abend skeptisch über die Zukunftschancen des Staatenbundes. Seine Regierung werde mit den elf anderen ehemaligen Sowjetrepubliken zweiseitige Beziehungen aufnehmen, sagte Schewardnadse. Am wichtigsten sei für Georgien dabei eine enge Zusammenarbeit mit Rußland.
Schewardnadse bestätigte darüber hinaus, daß es weiter blutige Kämpfe mit Anhängern Gamsachurdias gebe: „Wir haben immer noch einen Bürgerkrieg in Westgeorgien.“ Gamsachurdia hatte am Donnerstag in Grosny, der Hauptstadt der zu Rußland gehörenden Tschetscheno-Inguschischen Autonomen Republik, seine Anhänger zum Widerstand gegen die neuen Machthaber in Tiflis aufgerufen. Interfax berichtete, in Grosny hätten sich eine Reihe von Abgeordneten des ehemaligen georgischen Parlaments versammelt und den neuen Staatsrat in Tiflis als „illegal und verfassungswidrig“ bezeichnet. Die georgischen Abgeordneten riefen zu einer Kampagne des zivilen Ungehorsams bis zur Rückkehr Gamsachurdias nach Georgien auf. Sie appellierten unter anderem an die GUS und die Vereinigten Nationen, Gamsachurdia zu unterstützen und den in Georgien herrschenden Staatsrat unter Führung Schwardnadse zu boykottieren.
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