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„Wir brauchen mehr Leute“

■ Die telefonische Beratungsstelle der Berliner Aids-Hilfe sucht ehrenamtliche MitarbeiterInnen / Bis zu 60 Anrufe von Ratsuchenden sind täglich zu bewältigen

„Berliner Aids-Hilfe, hallo, was kann ich für Sie tun?“, so meldet sich die telefonische Beratungsstelle in der Meineckestraße in Wilmersdorf, die seit zwei Jahren als einzige Einrichtung in Europa einen Rund-um-die-Uhr-Dienst zur Aids-Problematik anbietet. Betroffene, deren Angehörige und Freunde oder aber Leute, die sich einfach zum Beispiel über Safer Sex informieren wollen, können sich jederzeit an sie wenden. Doch die Arbeit der 35 ehrenamtlichen und acht hauptamtlichen BeraterInnen ist nicht nur zeitaufwendig, sie kostet auch Nerven. „Wenn du zwei- bis dreimal die Woche Dienst machst, bis du alle“, erzählt Koordinator Frank Speer. Er ist auf der Suche nach neuen MitarbeiterInnen, denn „wir brauchen einfach mehr Leute, um besser arbeiten zu können.“

Bis zu 60 Telefonate, überwiegend aus Berlin, muß die Beratungsstelle tagtäglich bewältigen. Die ratsuchenden AnruferInnen, meist im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, sind zu rund zwei Dritteln homo- und heterosexuelle Männer, ein Drittel sind Frauen. Kamen zu Anfang der zweijährigen Arbeit eher allgemeine Fragen, wie man sich vor Aids schützen könne und ob ein Mückenstich bereits zur Infektion führe, so sind die Gesprächsinhalte mittlerweile schwerwiegender geworden. „Es gibt halt mehr Infizierte und die Leute werden auch langsam offener und trauen sich mehr, über ihre Probleme zu sprechen“, erzählt Günter, ehrenamtlicher Mitarbeiter und selbst HIV-infiziert. Seine Motivation für die Beratung beruht auf der eigenen Erfahrung: „Als ich von meinem HIV -positiv-Ergebnis erfuhr, sind unter mir etliche Böden zusammengekracht. Durch die Aids-Hilfe habe ich gelernt, mit meinen Ängsten besser fertigzuwerden. Heute möchte ich die Tips an andere weitergeben.“

Um als BeraterIn bei der Berliner Aids-Hilfe tätig zu werden, genügt allerdings nicht nur der gute Wille. „Die Leute müssen offen sein für die immer noch tabuisierten Themen Sexualität, Aids und Tod und auch unverklemmt mit ihrer eigenen Sexualität und ihren Ängsten umgehen können. Das nötige Einfühlungsvermögen beim Zuhören und Ratgeben ist sehr wichtig“, erläutert Frank. In Vorgesprächen, einem Training an zwei Wochenenden sowie einer vierwöchigen Einführungszeit sollen neue BeraterInnen auf die seelischen Belastungen dieser Arbeit vorbereitet werden.

„Wer Interesse hat, bei uns mitzumachen, sollte sich schon darüber im Klaren sein, acht bis zehn Stunden seiner Freizeit in der Woche zu opfern“, meint der Koodinator. Die neue Telefonnummer der Aids-Hilfe-Beratungsstelle ist übrigens 19411.

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