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Willkommen im Klub

betr. „Die Karawane zieht einfach weiter“, taz vom 14. 1. 00

Stefan Kuzmany feiert sich und seine KollegInnen und lobt, dass „es eine funktionierende Presse gibt, die in der Lage ist, ohne Furcht vor Repressalien Aufklärung zu betreiben“. Mal Hand aufs (linke) Herz: War nicht auch der größte Teil der BRD-Presse Bestandteil des so genannten Systems „Kohl“. Die allermeisten Journalisten kuschten vor der vermeintlichen Allmacht des Oggersheimers und waren stets bestrebt, nicht durch unangenehme Fragen, allzu hartnäckiges Nachfassen oder unbotmäßiges Auftreten aufzufallen, um sich bloß nicht die Gunst des Mächtigen zu verscherzen. Die meisten Interviews ähnelten eher einer huldvoll gewährten Audienz bei Hofe denn kritischem Journalismus. Wer den investigativen Journalismus der USA ob seiner schrankenlosen Neugierde, die auch vor privaten Verfehlungen der Herrschenden nicht Halt macht, verurteilt, muss sich kritisch fragen lassen, ob das Vertrauen in die Demokratie eher durch Verharmlosung oder gar Totschweigen der Kohlschen Doppelmoral gestärkt wird. [...]

Selbst heute klingen Interviews mit Schäuble und Konsorten eher wie das klägliche Betteln um Antworten auf zaghafte Fragen. Man weiß ja nie: Die Verlierer von 1998 können schon 2002 wieder Sieger sein. Und dann möchte kein Journalist auf irgendeiner schwarzen Liste stehen, weil er allzu hartnäckig wegen der schwarzen Kassen nachgefragt hat. Es lebe das System BRD.

Ingrid Scherzer-Hartz, Apensen

Stefan Kuzmany wehrt sich gegen Stimmen, die meinen, die Spendenaffäre schade dem Ansehen Deutschlands in der Welt. Er setzt dagegen, nicht die jetzige Affäre, sondern die Spendenpraxis des Herrn Kohl in der Vergangenheit schade dem deutschen Ansehen.

Beides falsch! Das Ansehen Deutschlands ist in den letzten Wochen steil gestiegen! In Belgien und Italien, zwei Länder, in denen Politiker immer wieder reziprok vor „italienischen“ bzw. „belgischen“ Verhältnissen warnen, ist großes Aufatmen: Die Deutschen kochen auch nur mit Wasser, sind auch Menschen. Willkommen im Klub!

Malte Woydt, Schaerbeek, Belgien

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