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Will Zappa sein!

■ Phish verstehen ihr Handwerk und kennen sich in der Musikgeschichte genau aus

Manchmal möchte ich Gurkensalat essen, manchmal Erdbeeren. Dann wieder steht mir der Hunger nach Pommes oder Austernpilzen oder Fondue. Aber nach Phish? Eine Mahlzeit, die alles in einem hat – Gurken, Erdbeeren, Pommes, Austernpilze und Fondue? Ich weiß nicht, aber die Welt ist ja voller Verrückter, warum nicht auch voller Phish-Fans?

Und glaubt man den Gerüchten und wohlinformierten Damen und Herren Musikreisejournalisten, dann entwickelt sich um Phish stetig seit 13 Jahren ein der Grateful-Dead-Mania vergleichbarer Kult. Hinterherreisende Fans mit endlosen Dat-Bibliotheken, Mitsingen von Note Eins bis Trillion und eine verschworene Internet-Gesellschaft verankern die musikalische Kreativität der Band im Fan-Wahnsinn.

Und die Kreativität hat es in sich, wobei die Frage doch erlaubt ist, ob wer viel spricht auch viel zu sagen hat? Denn Phish generieren sich als Alleskönner in zappaesken Ausmaßen. Rock, Jazz, Rare Grooves, Rhythm'n'Blues, Funk-Kack, Pop und Schmieren-Pop, Country, Experimental und Fake-Jazz, kein Stil fehlt im Repertoire, außer, er ist zu leicht zu reproduzieren. Punk, Techno und Thrash kommen selbstredend nicht vor.

Das klingt dann hier ein wenig nach Dark Side Of The Moon, dort nach Men Without Hats, hier nach den Meters, dort nach Southside Johnny, hier nach „Bobby Brown“, dort nach Orgel-Legende Jimmy Smith. Außer Zappa fällt einem da am Ende wirklich nichts mehr ein. Und Zappa sein wollen anstelle von Zappa: Ist das originell, ist das gut, ist das wichtig? Vor allen Dingen: Unterhält das?

Nun, Millionen Köpfe US-Phish-Futter und eine seit ihrem Live-Album 1995 auch in Europa ansteigende Gruppe von Menschen, die sich der Musik-Informations-Kontrolle der ehemaligen Studenten-Band aus Vermont ergeben hat, sprechen zumindest die Kiemensprache des Musikbegeisterten, der die Bio-Musik gegen das Elektro-Gezuppe verteidigt. Da bedeutet saubere Handarbeit und stilistisches Können echt was.

Und wenn dabei jedes Stück einer Compilation – wie die zur Tour auf den Markt geworfene CD Stash – von einer anderen Band sein könnte, dann kann man das eben „sensationell“, aber auch völlig beliebig finden. Qualle oder Haifisch, das ist hier die Frage: Alles durchscheinende Giftigkeit oder bissiger Allesfresser?

Till Briegleb

Di, 23. Juli, 21 Uhr, Marx

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