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Wiedervereinigung bleibt ein Traum

Beim Treffen der Staatschefs der beiden Koreas wurden historische Verträge in Kraft gesetzt, aber auch Bedingungen wiederholt/ Frage der Nuklearkontrolle noch nicht endgültig gelöst  ■ Aus Seoul Peter Leßmann

Seoul (taz) — Die Premierminister der beiden bisher verfeindeten Koreas sind wieder auseinandergegangen, „Historisches“ hat sich bei ihrem Treffen in Pjöngjang ereignet und wurde durch Beharren auf altbekannten Forderungen gleich wieder in Frage gestellt. Zwei Verträge haben die Spitzenpolitker in Kraft gesetzt, welche Rivalität und Konfrontation endgültig beseitigen und die Halbinsel einer friedlichen Wiedervereinigung näherbringen sollen: Das Abkommen über Wiederaussöhnung, das Schritte zur militärischen Entspannung sowie mehr menschliche und wirtschaftliche Kontakte vorsieht, und eine gemeinsame Erklärung zur Schaffung eines nuklearfreien Koreas.

Doch bereits der zweite Verhandlungstag brachte Träumer von einer baldigen Wiedervereinigung wieder auf den Boden der Realität zurück, als deutlich wurde, wie tief das Mißtrauen zwischen Nord und Süd noch sitzt. Umsetzen wollen sie jeden Buchstaben der Verträge, versprach Nordkoreas Staatschef Kim Il Sung ebenso wie sein Amtskollege im 200 Kilometer entfernten Seoul. Doch es sei an der Zeit, fuhr Kim Il Sung fort, daß alle US-Truppen aus dem Süden verschwinden. Altbekannte Forderungen brachte auch Nordkoreas Regierungschef Yon Hyong Muk wieder auf den Tisch. Südkorea müsse zunächst einmal das antikommunistische Sicherheitsgesetz abschaffen und jene politischen Gefangenen entlassen, die illegal nach Nordkorea reisten. Auch sollte Seoul den Langzeitgefangenen Lee In Mo, der dem Kommunismus nicht abschwören will, auf freien Fuß zu setzen. Erst dann könne man über Familienaustausch reden. Von der Kontaktsperre zwischen beiden Teilstaaten sind mindestens zehn Millionen KoreanerInnen direkt betroffen.

Der koreanische Wiederaussöhnungsprozeß, das haben die Gespräche der Premiers in Pjöngjang erneut gezeigt, hängt von der Nuklearfrage ab. Und der Norden machte hier keine Konzessionen. So bleibt unklar, wann Nordkorea das Ende Januar unterzeichnete Sicherheitsabkommen zum Atomwaffensperrvertrag ratifiziert und Inspektoren der Internationalen Atomenergiekommission ins Land läßt. Auch auf Forderungen Seouls nach Pilotinspektion von Kernanlagen in beiden Landesteilen reagierte der Norden ausweichend. „Nordkorea“, so wurde der „große Führer“ Kim Il Sung zitiert, „besitzt keine Atomwaffen, produziert sie nicht, und es besteht auch nicht die Notwendigkeit dazu.“ Ende Februar soll über die Nuklearfrage verhandelt und ein Atomkontrollausschuß gegründet werden.

Lange scheint das Regime in Nordkorea dem ausländischen Druck nach Inspektionen aber nicht mehr Stand halten zu können. Gerade jetzt, wo es seine ehemaligen Bündnis- und Wirtschaftspartner verliert, benötigt es Hilfe aus dem westlichen Ausland. Und Südkorea, meinen Diplomaten in Seoul, ist vielleicht eines der wenigen Staaten, die bereit sind, dem wirtschaftlich ruinierten Land unter die Arme zu greifen. Denn deutsche Verhältnisse auf der koreanischen Halbinsel fürchtet nicht nur Pjöngjang, sondern auch Seoul. Wichtiger als alle Euphorie scheinen ihr heute vor allem stabile Verhältnisse in Nordkorea.

Anfang Mai wollen sich die koreanischen Regierungschefs erneut in Seoul treffen.

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