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Wiederkehr

■ Der The Verve-Sänger Richard Ashcroft samt Anhang zu Gast im Docks

Eines der anrührenderen Bücher der letzten Zeit über das Musikgeschäft ist This Is Pop von Ed Jones. Sein Untertitel lautet „The life and times of a failed rock star“, und es handelt von Jones früherer Band, The Tansads. Die muss man nicht kennen, aber 1991 waren sie mit ihrem Folk-Rock die größte Band in der nordenglischen Provinzstadt Wigan. Am 23. März jenes Jahres hatten die Tansads einen Auftritt in ihrer Heimatstadt vor 500 Leuten, und die Vorgruppe waren lokale Newcomer namens Verve.

Ed Jones beginnt seinen detaillierten Bericht darüber, welche inneren und äußeren Einflüsse die Tansads daran hinderten, Stars zu werden, mit einem anderen Auftritt jener damaligen Newcomer: The Verve hießen sie inzwischen, am 24. Mai 1998 in der Haigh Hall von Wigan spielten sie vor 33.000 Menschen. Warum sind die Stars geworden und nicht wir? Das ist die Frage, die sich durch This Is Pop zieht, mit angenehm wenig Larmoyanz und um so mehr Sarkasmus. Eine der vielen Antworten ist Jones' Eindruck von seinem ersten Treffen mit Verve-Sänger Richard Ashcroft: „Der fundamentale Unterschied war: Er wusste, dass sie einen Plattenvertrag bekommen würden, ich hoffte, die Tansads würden einen bekommen.“

Dieser unerschütterliche Glaube Richard Ashcrofts an sich selbst ist längst für die Pop-Geschichte symbolisiert durch das Video zu The Verves größtem Hit, „Bitter Sweet Symphony“, in dem Ashcroft unbeirrt von schrägen Blicken oder Remplern seinen Weg durch die Straßen fortsetzt. Sollte es also symbolisch sein, dass genau dieses Motiv im aktuellen Video zu Ashcrofts zweiter Solo-Single „Money To Burn“ wieder aufgenommen wird?

Selbstbewusst genug ist Ashcroft jedenfalls, um seine ersten Soloauftritte in diesem Sommer gleich als Headliner bei den Festivals im spanischen Benicassim und beim V 2000 in England zu bestreiten. Und das, nachdem sein Album Alone With Everybody eher gemischte Reaktionen hervorrief: Was den einen als überproduzierter Mainstream-Schlock erschien, war für andere eine bewegende Übersetzung von Soul-Gefühlen ins Genre des britischen Pop. Und was war zu halten von Ashcrofts ständigen Oden an seine Frau Kate Radley und deren Kind Sonny? War nicht „Mad Richard“ immer bewundert worden für sein drogenbefeuertes Grenzgängertum zum Segen der Kunst? Und der jetzt in der Rolle des braven Familienvaters? Oder ist es einfach gesünder so?

Richard Ashcrofts berühmter Schlachtruf „Coooome Ooooon!“ ist nicht von ungefähr der Auftakt zu Ed Jones' Erzählung von einer Band, die es nicht schaffte, diese Euphorie für die Kraft der eigenen Musik aufrechtzuerhalten. „C'mon People“ heißt eines der Lieder auf Richard Ashcrofts Soloplatte, mit ihm auf der Bühne kommen mit Kate Radley ein Familienmitglied und mit Schlagzeuger Richard Salisbury ein Mitglied der zerbrochenen Verve-Clique – und Ashcroft wird kämpfen um Anerkennung für die Musik, an die er so sehr glaubt wie an sich selbst. Er wird es wieder rufen: „Coooome Ooooon!“

Felix Bayer

 Dienstag, 20 Uhr, Docks

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