WAS MACHT EIGENTLICH... … der gute alte Farbbeutel? : Wieder fliegen
Letztens hatte es auch uns mal wieder erwischt: In der Nacht waren ein Dutzend Farbbeutel am Neubau des taz-Hauses zerplatzt und hatten ebenso viele Kleckse in Rot, Rosa und Gelb hinterlassen. Eigentlich ein schönes Stück street credibility, fanden einige. Trotzdem wurde entschieden, die meisten Spritzer zu entfernen – die Gäste im taz-Café sollen ja auch vom bunten Treiben auf der Rudi-Dutschke-Straße etwas mitbekommen.
Überhaupt erlebt der Farbbeutel dieser Tage eine kleine Renaissance. Das in den hochpolitisierten 70ern und 80ern für linke Demonstranten unverzichtbare Utensil hatte sich etwas rar gemacht – von Überraschungsauftritten wie jenem Exemplar, das 1999 Joschka Fischers Trommelfell in Mitleidenschaft zog, einmal abgesehen. Jetzt aber ist er wieder da, genau wie der „Schwarze Block“, die diskursive Vorhut der Bewegung, die ihre Argumente gern nach den Prinzipien der Newton’schen Mechanik absondert.
Nicht nur die taz musste dran glauben: In der Nacht zum Donnerstag wurden in Neukölln zwei Commerzbank-Filialen und eine Niederlassung der Volksbank mit Farbbeuteln (und einem Hammer) bearbeitet. Die Polizei will hier die Handschrift der autonomen „Köpi“ erkennen, deren Zwangsversteigerung von der Commerzbank veranlasst worden war.
Zum vorläufig letzten Streich holte die Szene am Donnerstagabend auf, als ein Grüppchen Vermummter Farb- und Mehlbeutel von der Oberbaumbrücke warf. Im Visier: ein Schiff mit 45 Fahrgästen, die eine „Stadtentwicklungs-Rundfahrt“ unternahmen und deren Kleidung stark verschmutzt wurde. An der Brücke hing ein Transparent mit Forderungen nach dem Stopp der Umstrukturierung des Spreeufers. Bezeichnend ist mal wieder, dass die Herren Autonomen auch vor den Schwächsten keinen Respekt haben: Bei der Farbattacke auf die taz erlitten mehrere Topfpflanzen massive Kollateralschäden an den Atmungsorganen (Blättern). CLP
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