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Wieder Krach um freie Schulanwahl

■ SPD-Landesparteitagsbeschluß verhindert Kompromiß im Ampel-Koalitionsausschuß

Der FDP-Vorsitzende Heinrich Welke war gestern „überrascht“. „Ich bin davon ausgegangen, daß das Thema konsensfähig ist. Was die SPD da gemacht hat, ist die reine Obstruktion.“

Ursprünglich sollte gestern im Koalitionsausschuß das Thema „Freie Anwahl der Schule“ diskutiert werden. Dazu lag ein Vorschlag vor, den der Grüne Dieter Mützelburg formuliert hatte und der zwei Neuerungen bei der Wahl der Schule bringen sollte. Erstens herrscht vom nächsten Schuljahr an für die Klassen 11 bis 13 die freie Anwahl im Stadtgebiet. Zweitens wird vom Schuljahr 1995/96 an für die Sekundarstufe I die wohnortnahe Bindung an die Schule bis an die Stadtteilgrenzen aufgehoben.

Doch aus diesem Kompromiß ist gestern nichts geworden. Die SPD hat am Samstag auf ihrem Landesparteitag einen Beschluß gefaßt, der das verhindert hat. Da heißt es: „Wir wollen das wohnortnahe Schulangebot erhalten. Wir lehnen die Aufhebung der Schuleinzugsgrenzen im SI-Bereich ab... Im Bereich der gymnasialen Oberstufe sehen wir bei einer stadtweiten Anwahl die Gefahr, daß ganze Regionen abgewählt werden und sich die Vielfalt des Kursangebotes in bestimmten Stadtteilen reduziert.“

Welke sprach gestern von einem „bestellten Beschluß“ und erwartet, daß noch in dieser Woche auf Fraktionsebene nach einem neuen Kompromiß gesucht wird. „Wir haben uns schon darauf eingelassen, daß die freie Schulanwahl für die Sekundarstufe I erst im nächsten Jahr und unter bestimmten Einschränkungen eingeführt wird. Die SPD wird die Position der Partei in der Koalition nicht halten können.“

Die Sozialdemokraten spielen auf Zeit. Bis zum 5. April sollen alle an der Neufassung des Bremischen Schul- und Schulverwaltungsgesetzes beteiligten Schüler-, Lehrer- und Elternverbände ihre Stellungnahmen zur Schulanwahl abgeben, vorher „muß der besonders von der FDP ausgeübte Zeitdruck unterbleiben“, erklärte Ulrike Hövelmann für den Landesvorstand der SPD. Der war es auch, der den SPD-Antrag für den Landesparteitag eingebracht hatte.

Dagegen ist die FDP. „Wir müssen das jetzt entscheiden, damit die entsprechenden Vorbereitungen für das nächste Schuljahr in der Sekundarstufe II gemacht werden können“, erklärte die bildungspolitische Sprecherin der FDP, Annelene von Schönfeldt. Außerdem sollten möglichst schon im September die Richtlinien herausgegeben werden, die die Schulanwahl für die Sekundarstufe I vom übernächsten Schuljahr an regeln. Möglichst im Mai sollten die neuen Schulgesetze dann in erster Lesung in der Bürgerschaft behandelt werden, im Juni in zweiter Lesung.

Ihre SPD-Kollegin Bringfriede Kahrs dagegen erklärte: „In diesem Jahr wird gar nichts passieren.“ Ihrer Meinung nach hat es auch nie einen zustimmungsfähigen Kompromiß in dieser Frage gegeben, sondern „nur diesen Vorschlag von Herrn Mützelburg, über den noch nicht entschieden war“.

Kahrs bezieht sich in ihrer Haltung auf den Bielefelder Pädagogen Prof. Wolfgang Klafki, der Mitglied der Schulreformkommission in Bremen war und jüngst noch einmal - aus SPD-Sicht - zwei Standartsätze formuliert hatte: Die freie Schulanwahl sollte unabhängig von der Neuformulierung der Schulgesetze geregelt werden. Und: Bei allen Lösungen zur Neuregelung des Schulanwahl ist das Kriterium der Wohnortnähe besonders relevant. Die Gefahr der „sozialen Entmischung“ sei ernst zu nehmen und durch klare Regelungen zu verhindern.

Am Freitag wird sich der Konflikt zuspitzen. Die CDU hat für diesen Tag einen Antrag zur Aufhebung aller Schulgrenzen gestellt. Wenigstens für den Bereich Sekundarstufe II ist die FDP nicht abgeneigt. „Mit dem Mützelburg-Kompromiß wäre das für uns vom Tisch gewesen“, erklärte FDP-Fraktionschef Heinrich Welke. mad

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