■ „Chaos-Tage“: Doofe Polizisten und einfallslose Punker: Wie wär‘s mit Punker-Polizisten?
„Das ist hier wie im Bürgerkrieg“, weiß der unvermeidbare Rentner. „Der Name des Treffens wurde zur bitteren Realität“, hieß es betroffen bei dpa. Die FAZ hatte am Samstag noch unerschrocken geschrieben: „Das klingt so niedlich: Chaos-Tage.“ Die Bilanz kann sich jedenfalls sehen lassen: Über 1.000 verhaftete Punker, verletzte Polizisten, dies und das ging kaputt. Was das alles wieder kostet! Da ärgert sich der Steuerbürger, und Bild am Sonntag wünscht sich irgendwie chinesische Lösungen: Doch „rund um die Lutherkirche in Hannover hatte der himmlische Frieden keine Chance.“
Besonders zufrieden können die Veranstalter nicht sein. Die Punkerfete fiel letztlich aus. Das von einigen Alt-Punkern formulierte Ziel, mit zehntausend Verhaftungen ins Guinness-Buch der Rekorde zu kommen, wurde verfehlt, mag es auch ein Achtungserfolg sein, wenn von etwa 2.000 Punkern die Hälfte festgenommen wurde. Daß die Polizisten ihrer Arschgeigenrolle gerecht wurden und durch ihr Verhalten nicht nur die Punker auf die ihnen zugedachte Rolle festlegten, und daß es ein ziemlicher Skandal ist, Leute allein auf Grund ihres Aussehens aus der Stadt zu verweisen, sei nur am Rande vermerkt.
Ohnehin ist es mit dem Wort „Punker“ so eine Sache. Zum einen waren „Punker“ beim letzten Krawall nur am Rande vertreten, zum anderen entspringt die Selbst- oder Fremdetikettierung eher der Not. Man braucht einen Begriff, wobei einige noch gern hinzufügen, es handle sich bei den „Gewalttätern“ nur um eine kleine Minderheit innerhalb der im allgemeinen doch recht verträglichen Punk-Gemeinde, deren eingeschriebene Mitglieder halt gern vor „Hertie“ rumsitzen und Sixpacks wegmachen. Und wenn Ulrich Wickert mit ihnen spricht, sind‘s nette Jungs und Mädels.
Aber auch die bekennenden „Punker“ haben ein – recht deutsches – Problem. Während man in anderen Ländern mit den Zeichen und Parolen der unterschiedlichsten Jugendkulturen gern spielt und auch nichts Ehrenrühriges dabei findet, Punker- und andere Outfits einfach „nur“ als Mode zu genießen, muß es in Deutschland immer gleich essentiell, super-existenziell und am besten lebenslang werden. Forever Punk. Wie der protestantische Pfaff, so entsagt auch der Gesinnungspunker mit seinen Bekenntnisklamotten dem schnöden Schein und stellt sich vor, nur zu sein. Zeichen und Bedeutung, Kleidung und Gesinnung sind ihm ganz unironisch eins. So freut er sich an seiner Punker-Identität und macht sich zum leicht zu identifizierenden Ziel. Anstatt als Punker-Polizist meinetwegen für Chaos zu sorgen. Detlef Kuhlbrodt
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