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Wie umweltverträglich ist die Umweltunion?

Ernst Dörfler, der Vorsitzende des Umweltausschusses der Volkskammer, zerpflückt das Umweltrahmengesetz  ■  Von Gerd Rosenkranz

Der Vorsitzende des Umweltausschusses der DDR-Volkskammer, Ernst Dörfler, hat das deutsch-deutsche Umweltrahmengesetz (URG) in einer ausführlichen Analyse scharf kritisiert und als „einseitiges Übernahmegesetz“ gebrandmarkt. Nach Auffassung des Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Grüne dient das Gesetz, das am kommenden Montag zeitgleich mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion in Kraft treten wird, „keineswegs der Angleichung der Umweltgesetze an den jeweils besten Standard“.

In einigen Bereichen erwartet der Mitbegründer der Grünen Partei in der DDR für sein Land sogar Verschlechterungen gegenüber den bisher gültigen Regelungen. Die Umweltminister Klaus Töpfer (BRD) und Karl-Hermann Steinberg (DDR) hatten das URG dagegen als Basis einer deutsch-deutschen Umweltunion gefeiert.

Akribisch listet Dörfler auf fünf engbeschriebenen Seiten die Schwachstellen des in der Volkskammer im Schnellverfahren verabschiedeten Gesetzes auf. So leide die an sich begrüßenswerte Übernahme des bundesdeutschen Immissionsschutzrechtes an einem „neuralgischen Punkt“: Alle Kraftwerke oder Müllverbrennungsanlagen, mit deren Errichtung vor dem 1. Juli begonnen worden ist, gelten als „Altanlagen“. Das Gesetz sieht dafür großzügige Übergangsbestimmungen vor, der Schadstoffausstoß darf höher ausfallen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung entfällt.

Völlig ungeklärt bleibe in dem Regelwerk die brisante Frage der Altlasten, die schon jetzt in großem Rahmen zu vergifteten Böden und verseuchtem Grundwasser in der DDR geführt hätten. Klar sei lediglich, daß Neuinvestoren nicht zur Kasse gebeten werden dürfen. Das Problem könnte sich in Zukunft verschärfen. Denn, so der Abgeordnete, der „Müllnotstand in vielen Regionen der Bundesrepublik, die Zulassung der Müllverbrennung in dafür nicht vorgesehenen Anlagen und der fortgesetzte Müllexport“ sprächen nicht gerade für die Qualität der bundesdeutschen Abfallgesetzgebung, die künftig auch in der DDR gelten soll.

Dörfler erinnert auch daran, daß die DDR mit einer „Schutzgebietsfläche“ von zehn Prozent ihres Territoriums im „deutschen Sprachraum einmalig“ sei. Dabei werde es bleiben. Gleichzeitig jedoch werde mit dem Bundesnaturschutzgesetz ein „teilweise überholtes und verbesserungsbedürftiges Gesetz“ übernommen. Insbesondere habe die sogenannte „Landwirtschaftsklausel“, wonach eine ordnungsgemäß betriebene Landwirtschaft den Zielen des Landschaftsschutzes nicht widerspräche, wenig gemein mit den Realitäten in der BRD. Die „ordnungsgemäße Landwirtschaft“ habe im Gegenteil den größten Anteil am Artensterben, das beim reichen Nachbarn zum Teil noch „katastrophaler“ ausfalle als in der DDR. Dörfler verlangt, daß die fatale Alt-Regelung nun nicht auch noch in DDR-Recht übernommen wird.

Im Verkehrswesen befürchtet der Ausschußvorsitzende, daß sich „mit der Marktwirtschaft der Straßenverkehr gegenüber dem Bahnverkehr durchsetzten“ wird. Deshalb fordert er ein „neues Verkehrsgesetz“, das generell umweltfreundliche und energetisch effektive Verkehrssysteme, also vor allem Bus und Bahn fördert. Als „umweltpolitischen Rückfall“ bezeichnet Dörfler in diesem Zusammenhang die Senkung der Benzinpreise in der DDR, die mit der Währungsunion eintreten wird.

Schließlich kritisiert Dörfler die Übernahme des bundesdeutschen Atomrechts, insbesondere die Übergangsregelungen, die den Weiterbetrieb der maroden DDR -Atomanlagen für weitere fünf Jahre zulassen. In diesem Zusammenhang seien weder die Haftungsregularien im Fall eines schweren Unfalls noch die Entsorgungsfrage auch nur im Ansatz geklärt.

Grundsätzlich fehle im Umweltrahmengesetz und im Staatsvertrag jeder Ansatz für einen ressourcenschonenden Umgang mit den endlichen Rohstoffen. Die weltpolitische Dimension des Umweltproblems sei offenbar noch gar nicht erkannt. Insbesondere vermisse er in dem „eurozentrischen und kurzsichtigen“ Dokument jeden Hinweis auf Wege zur effizienteren Energierzeugung.

Die „große Chance eines Schrittes nach vorn in Richtung auf eine gesicherte Umwelt“ werde somit vertan.

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