: Wie liebt man einen Star?
■ Über die Schwierigkeiten, Gatte einer gefeierten Autorin zu sein
Michael Frayn führt seine Leser an der Nase herum. Da glaubt man, ein heiteres Buch in der Hand zu haben, stellt sich auf Lachen ein (Frayn liefert allen Anlaß dazu) und amüsiert sich köstlich bis kurz vor Schluß: Jetzt noch ein geistreicher Abgang, und die Welt ist in Ordnung.
Und genau an dieser Stelle hört die Komödie auf, komisch zu sein. Genau hier, völlig unerwartet, kippt Frayn die Story, und die Sache wird plötzlich ernst. Verblüfft fragt sich die Leserin, ob sie die ganze Zeit geschlafen habe, da sie keinerlei Anzeichen einer drohenden Katastrophe zur Kenntnis genommen hat. Nun ja, es hat die Signale schon gegeben. Aber weshalb um alles in der Welt soll die Leser beunruhigen, was den Protagonisten des Buches nur zu fröhlich-ironischer Darstellung anregt? Frayn nutzt geschickt die Diskrepanz, die entsteht, wenn verbale und nonverbale Kommunikation nicht mehr übereinstimmen. Können wir es ernstnehmen, wenn uns jemand lachend erzählt, seine gesamte Existenz sei vernichtet?
RD, seinen vollen Namen gibt er nicht preis, ist der Held des Romans. Hätte er nicht im Laufe der Jahre 21 Briefe und vier Grußkarten an seinen Kollegen im australischen Busch geschickt, hätten wir wohl nie von seinem Schicksal erfahren. So aber wissen wir, wie der englische Literaturdozent die zwölf Jahre ältere Schriftstellerin kennenlernt, über die er seit Jahren Vorlesungen hält. Wie sie gleich am ersten Abend ihrer Bekanntschaft im Bett landen. Wie sie sich verlieben und sogar heiraten. Dabei hätte RD lieber auf seine innere Stimme hören sollen. Die flüsterte ihm nämlich schon ganz am Anfang ins Ohr, daß man ein Tabu auf dieser Welt nicht brechen darf: das Tabu gegen Geschlechtsverkehr mit Autoren, über die man Vorlesungen hält. Zu spät. Zunächst nicht mehr als ein akademisch aufgemotzter Groupie entfaltet RD eine äußerst destruktive Abhängigkeit von seiner Ehegattin. Mit unbewältigter Mutterbindung — wie könnte es anders sein — und Minderwertigkeitskomplexen von Kopf bis Fuß belastet, kämpft RD tapfer um die Anerkennung durch die gefeierte Autorin. Aber auch wenn Männer zu sehr lieben, geht der Schuß nach hinten los. Die Gattin fühlt sich bedrängt und zieht sich in ihr Arbeitszimmer zurück — das Muster ist bekannt, erfrischend die auf den Kopf gestellte Rollenverteilung. RD versucht, JL (das ist sie) total abzuschotten. Er will sich unentbehrlich machen. Es gelingt ihm nicht. Er gibt seine Stelle auf. Die Ehe verbessert er damit nicht. Seine Situation wird ernster („Da stürze ich nun, bereits vergessen, hinab ins Nichts, während sie mit aufgesetztem Kopfhörer erster Klasse durch die Luft schwebt“), doch noch immer scherzt er. Und die Leserin lacht.
Dann ist JL's neues Buch auf dem Markt. Er fürchtet, sie habe dort das intime Eheleben ausgebreitet („in einer Auflage von zehneinhalbtausend Hardcoverexemplaren, gefolgt von Hunderttausenden Taschenbuchexemplaren, plus Werbung in den USA und Übersetzung ins Japanische“) und muß letztlich feststellen, daß sich das Buch nicht einmal mit einem einzigen Wort auf ihn bezieht. Ein vernichtender Schlag. Doch da hat RD den vermeintlich rettenden Gedanken. Was ist, wenn er selbst ein Buch schreibt? Einen Roman wie sie? Dann endlich muß sie ihn akzeptieren. Bedauerlicherweise bemerkt RD aber sehr bald, daß nicht „jeder Idiot“ Romane schreiben kann. Er jedenfalls findet ihn nicht, den Trick of It.
Das unterscheidet ihn von Michael Frayn. Schon allein der Sprache wegen ist das Buch lesenswert: Mit glitzerndem Humor und respektlosen Einschüben bringt Frayn den Leser zum Lachen. Wenn auch nicht alle Wortspielereien genial sind („Ich wußte es einfach. Wir beide wußten es. Sie wußte, daß ich wußte, und ich wußte, daß sie wußte“), kann man diese Passagen doch getrost überfliegen. Denn mit Sicherheit entschädigt der nächste Satz. Diebische Schadenfreude erfüllt das Leserherz, wenn es sich in die Situationen RDs versetzt: „Ich glaubte, zwischen unserer Position im Bett und unserer Position im Leben eine ironische Parallele zu erblicken. Da ruhte sie also, bequem hingestreckt im weichen Zentrum der englischen Literatur, und bemerkte nicht einmal, daß andere sich qualvoll am äußeren Rand festklammerten.“
Nur auf den letzten Seiten bleibt das Lachen im Halse stecken. Kein Happy-End. Der Held demaskiert sich selbst. Seine Dauerironie weicht der realistischen Sichtweise. Was ist denn noch übrig von seinem Leben, ohne angemessene Arbeitsstelle, irgendwo in einer Wüstenstadt, und vor allem ohne seine zukünftige Ex- Frau? Sabine Lange
Michael Frayn: Wie macht sie's bloß? (Originaltitel: The Trick of It). Aus dem Englischen von Sabine Hübner. Rowohlt Verlag, geb., 207Seiten, 32DM.
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