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Wie haben Sie's gemacht, Herr Chabrol?

■ Claude Chabrol hat mit 67 Jahren jetzt seinen 50. Spielfilm vollendet. Isabelle Huppert und Michel Serrault spielen ein diebisches Pärchen, das sich mit mittelmäßigen Betrügereien, Charme und Stil ei

Das Schlechte im Menschen hat ihn schon immer mehr fasziniert als das Gute. Mit seinem ersten Film „Die Enttäuschten“ („Le beau serge“, 1957/58) wurde Claude Chabrol einer der Wegbereiter eines neuen Autorenkinos in Frankreich, der Nouvelle Vague. Claude Chabrol sprach mit Gabrielle Schultz über die Macht des Geldes, Verbrechen und Leidenschaft.

taz: Über „Das Leben ist ein Spiel“ schwebt das von Isabelle Huppert gesprochene „Carpe diem“ – „Nutze den Tag“. Was bedeutet der Satz für Sie?

Chabrol: Das Gaunerpaar versucht, von der Gegenwart, in der es lebt, zu profitieren, um sich selbst ein angenehmes Leben zu sichern. Die beiden versuchen, aus jeder Situation etwas Positives zu machen, ohne den anderen zu sehr zu schaden. Wenn sie zum Beispiel den Mann im Spielcasino ausrauben, lassen sie ihm die Hälfte des Geldes im Portemonnaie. So lautet die goldene Regel: Nutze den Tag, aber lasse deinen Opfern etwas übrig.

„Das Spiel des Lebens“ erinnert an den Film „Ärger im Paradies“, den Ernst Lubitsch 1932 gedreht hat. Ist die Ähnlichkeit beabsichtigt?

Vor ungefähr vier Jahren habe ich zufällig „Trouble in Paradise“ im Fernsehen gesehen, die Leichtigkeit der Inszenierung hat mich fasziniert. Ich wollte auch einen Film machen, der schillernd wie eine Seifenblase aufsteigt und vor den Augen des Zuschauers tanzt. Die Ähnlichkeit ist nicht unbeabsichtigt.

In „Das Spiel des Lebens“ beschäftigen Sie sich auch mit dem Wert des Geldes in der heutigen Gesellschaft. Wie sieht Ihr persönliches Verhältnis zu Geld aus?

Geld an sich ist nichts Schlechtes, es wäre schrecklich, wenn wir kein Geld hätten. Gleichzeitig ist Geld etwas Fürchterliches, weil manche Menschen ihr Leben wie ein Monopoly-Spiel führen. Oft rücken große Spieler skrupellos vor und werfen die kleinen aus dem Rennen.

Ich halte mich an ein Sprichwort, das sehr simpel ist. Man sollte nicht mehr Geld verdienen, als man ausgeben kann. Was soll ich mit dem Geld machen, das ich nicht zum Leben benötige? Es auf eine Bank legen, in Wertpapiere investieren, Börsennachrichten lesen? Das finde ich total langweilig.

Sie haben als Regisseur diebische Freude daran, dem Zuschauer ein Gefühl der Ungewißheit, der Irritation zu vermitteln. Im Gegensatz zur subjektiven Kameraführung Hitchcocks, die es dem Publikum erleichtert, sich mit einem Charakter zu identifizieren, halten Sie sich selbst als Regisseur und auch den Zuschauer immer auf Distanz.

Wir leben nicht in einer Welt, die aus Gewißheiten besteht. Leben hat etwas mit Leidenschaft, mit Hingabe zu tun. Leidenschaft und Sicherheit sind aber zwei Begriffe, die einander ausschließen. Wir leben nicht in Sicherheiten, obwohl wir uns das ständig vorgaukeln. Wir glauben zu wissen, was gut und falsch, was böse und richtig ist. Aber wissen wir das wirklich? Wir verurteilen Dinge, die wir nicht kennen, weil wir sie nicht verstehen. Unsere bürgerlichen Moralvorstellungen hinken der menschlichen Evolution hinterher. Es gibt keine absolute Moral, keine absolute Wahrheit. Es ist meine Methode, den Zuschauer zu irritieren, ihn in seinen Anschauungen zu erschüttern.

Sie wollen, daß die Zuschauer ihre Vorstellung von Wahrheit in Frage stellen?

Die Menschen sollen selbst denken, ohne die Anleitung eines Regisseurs. Ich kann ihnen nur Ideen liefern.

Würden Sie sich wünschen, daß die Zuschauer den Kinosaal verlassen und große Sympathie für einen Massenmörder empfinden?

Nein, ich wünsche mir sicherlich nicht, daß meine Zuschauer einen Massenmörder ins Herz schließen. Aber ich wünsche mir, daß der Blick der Menschen differenzierter wird, daß sie einen Massenmörder nicht als Monster betrachten. Schließlich wird niemand als Massenmörder geboren.

In Ihren Filmen begehen die Figuren aber häufig einen Mord, um ihre Lebensumstände zu verändern. Haben Sie schon mal in Erwägung gezogen, daß eine Ehefrau ihren Mann auch einfach verlassen könnte, anstatt ihn zu töten?

Sie spielen sicherlich auf meinen Film „Les noces rouges“ („Blutige Hochzeit“) an, in dem Stéphane Audran und Michel Piccoli jeweils ihre Ehepartner umbringen, um füreinander frei zu sein. Bedenken Sie, daß die beiden in einem sehr kleinen Ort leben. Natürlich hätte sie einfach ihren Mann und er seine Frau verlassen können, aber eine solche Entscheidung wäre für beide einer Reise auf den Mond gleichgekommen. Ihnen ist es gar nicht in den Sinn gekommen, daß sie ihren begrenzten, engen Lebensraum verlassen könnten. Daß sie woanders hätten leben können! Viele Menschen kommen nicht auf die Idee, daß sie die Wahl zwischen verschiedenen Wegen haben.

Sie haben im Laufe von 40 Jahren 50 Kinospielfilme, zahlreiche Fernsehfilme, Werbespots und auch Theaterstücke inszeniert. Wie haben Sie das gemacht, Herr Chabrol?

Ich bin einfach am glücklichsten, wenn ich drehe. Wenn ich nicht drehen kann, fühle ich mich unglücklich. Und ich glaube, ich habe auch sehr viel Glück gehabt, daß immer wieder Produzenten meine Filme finanziert haben. Ich habe auch niemals wirklich Angst davor gehabt, einen schlechten Film zu machen, Filme werden mal schlechter, mal besser. Ich hatte nur manchmal Angst, nicht mehr drehen zu können. Auf jeden Fall beginnen die Dreharbeiten zu meinem 51. Film voraussichtlich im März.

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