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Wie gehabt

■ Peymann, Waldheim und sein Österreich

G A S T K O M M E N T A R Wie gehabt

Peymann, Waldheim und sein Österreich

Hat er oder hat er nicht? Wagte er rücklings die Attacke auf das wehrlose Opfer? Nicht eine mögliche Involvierung Waldheims in Kriegsverbrechen, auch nicht sein mutmaßliches Wissen von Judendeportationen und Massakern sorgt für landesweite Aufregung. Es ist ein Kuß, den Waldheim dem Burgtheater-Direktor Claus Peymann auf den Nacken gedrückt haben soll. Kurt Waldheim kann also noch erregen. Mit elektrisierenden Nebensächlichkeiten. Drei Monate nach Abgabe des für ihn verheerenden Historikerberichtes hätte das kaum jemand noch gedacht.

Dieses Land, von Waldheim als Geisel genommen, hat sich seinem Bundespräsidenten längst ergeben. Seine Vergangenheit ist tot, egal was da noch kommen mag. Etwa von der Zürcher 'Sonntagszeitung‘. Sein Wissen von den Deportationen der Juden aus Banja Luka, die Partisanen-Erschießungen durch die seiner Abteilung unterstellten Feldgendarmerie: Das ist Stoff für die sozialistische 'AZ‘, fürs 'profil‘, aber niemanden sonst. Die Schuld der Deutschen Wehrmacht, die Verantwortung Tausender Offiziere, auch wenn sie nur im Rang eines Oberleutnants dem Führer dienten: Man schweigt darüber. Man streift am besten nicht mehr an.

Daß K.W., dieser personifizierte Untertan, als Stabsoffizier wesentliches Element eines Braintrusts war, in dem Tag für Tag Verbrechen geplant wurden: vergeben und vergessen. Der Mann ist jetzt Präsident, und wir sind ein Obrigkeitsstaat. Vor einem halben Jahr mußte ÖVP -Generalsekretär Michael Graff zurücktreten, weil er meinte, W. würde erst dann ein Problem, gelänge der Nachweis, daß er sechs Juden eigenhändig erwürgt hätte. Mittlerweile darf selbst das bezweifelt werden. Nicht er ist das Problem, wir sind es - wie gehabt.Hubertus Czernin, Redaktionsmitglie

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