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„Wie eine Hinrichtung“

■ Statt Partei schmeißt Rebellen-Duo Wegner und Scheelhaase raus / Reichert „erleichtert“ / Regierungskrise vorerst abgebügelt Von Silke Mertins

Die Markus-Wegner-AnhängerInnen hatten sich am Samstag im Bürgerhaus Wilhelmsburg auf einen langen Belagerungszustand vorbereitet: Wenn man sich schon durch eine außerordentliche Mitgliederversammlung zum Rausschmiß des Parteigründers nebst Weggefährten Klaus Scheelhaase durchquälen mußte, dann wenigstens mit Bergen von Frikadellen, belegten Brötchen, Keksen, Kaffee in Thermoskannen und Weißwein. „Auch wenn heute die Partei auseinanderbricht“, so eine Wegner-Getreue, „ich muß trotzdem sagen: Es waren zwei schöne Jahre.“

Diese Vorahnungen sollten sich ebenso bestätigen wie die Worte des Altonaer Stattianers Christian Meyer: „Die Chaostage von Hannover sind in die Statt Partei eingezogen.“ Auch der von Statt ent-sandte Senatssprecher Cord Schellenberg war extra und in gemütlich-legerer Freizeitkleidung gekommen: „Das wird besser als die Muppetshow.“ Und es wurde.

Nachdem man sich geschlagene zweieinhalb Stunden auf dem Nebenkriegsschauplatz „Anträge zur Geschäftsordnung“ die Köpfe blutig geschlagen hatte, ging's zur Sache. Markus Wegner, der mit seinem Austritt aus der Bürgerschaftsfraktion die Regierungskooperation fast zu Fall brachte, stünde „in der Tradition gescheiterter deutscher Führer“, die alles mit sich in den Abgrund reißen, brillierte der Abgeordnete Georg Berg. Wegner sei „ein medizinisches Problem“, seinen Schatten Scheelhaase halte man für „gaga“, hieß es in einem Schreiben der anonymen Gruppe „Quo Vadis“. Achim Reichert, Sprecher der Wegner-hassenden Rathaus-Fünferbande, drohte selbst mit Austritt, wenn die Mitglieder sich benehmen wie „eine Sekte mit ihrem Oberguru“ und das Rebellen-Duo nicht rauskicken.

Dabei waren die Gründe, die für Wegners und Scheelhaases Rausschmiß sprechen, eigentlich klar: Wer die Fraktion verläßt, wird aus der Partei ausgeschlossen. Im Falle von Gundi Hauptmüller – inzwischen GALierin – hatte Wegner höchstselbst sich für diesen Satzungs-Zusatz eingesetzt. Doch seine Anhänger befürchten, mit Wegners Ausschluß den „einzigen politischen Kopf“ zu verlieren. Und: Einen Parteigründer vor die Tür zu setzen gehört sich nicht.

Nach sechs Stunden hitziger Schlammschlacht versuchte Wegner ein letztes Mal, gegen sein Schicksal aufzubegehren: „An meiner eigenen Hinrichtung werde ich nicht teilnehmen.“ Unter lautem Protestgeheul verließ er mit seiner Gefolgschaft den Saal. Sein Ziel: die Versammlung mangels genügend Mitglieder beschlußunfähig zu machen. Doch 64 Ja- und 14 Neinstimmen waren immer noch genug für das politische „Todesurteil“ des Parteigründers Wegner.

Damit scheint das Regierungsgekrisel vorerst vom Tisch: Reichert und Co. sind „erleichtert“ und wollen in Partei und Kooperation bleiben. Unmittelbar nach der Wegner-Abstimmung soll es laut Vorstands-Chef Dieter Brandes sogar Parteieintritte gegeben haben. Dienstag will der Statt-Landesvorstand auch formal die Mitgliederentscheidung absegnen und das Schiedsgericht in Sachen Ausschlußverfahren anrufen. Partei-Vize Carl Jarchow überzeugt: „Das wird ein Selbstläufer.“

Siehe auch Seite 5

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