: Wie ein gesellschaftspolitisches Seminar in Mißkredit geriet
„Sei deine eigene Traumfrau“ lautete der Titel eines Ende 1995 als Bildungsurlaub anerkannten Seminars in Rheinland-Pfalz. Statt der Frauen, die sich dort über ihre Rolle in Familie, Gesellschaft, Politik und Arbeit klarwerden sollten, meldete sich jedoch der Koblenzer CDU-Abgeordnete Fredy Schäfer. Er witterte den Mißbrauch von Steuergeldern. Dem Christdemokraten mißfiel, daß der zuständige Minister Zöllner (SPD) das „Traumfrau“-Seminar mit dem Weiterbildungsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz fördern wollte.
Dabei gab sich der Ergänzungstitel der Veranstaltung ganz seriös. Ging es doch um die „Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft“. Der CDU-Abgeordnete fürchtete, in Verkennung der wahren Ziele des Seminars, daß Frauen über Steuergelder ihrem eigentlichen Traumziel: „Wie werde ich Claudia Schiffer“, näher kämen. Das Mißtrauen des CDU-Abgeordneten löste eine politische und parlamentarische Debatte aus.
„Wir müssen politische Bildung attraktiv verkaufen“, rechtfertigt die Jugendbildungsreferentin Sonja Puchelski von der Weiterbildungseinrichtung „Arbeit und Leben“ (Rheinland-Pfalz), dem Träger der Veranstaltung, den „Traumfrau“-Titel. „Politische Bildung hat ein negatives Image, erregt wenig Interesse. Gefragt ist allenfalls berufliche Weiterbildung oder Esoterik. Unsere Titel, Methoden und Inhalte sollen TeilnehmerInnen auch gesellschaftspolitische Seminare schmackhaft machen. Ohnehin wird das Recht auf Bildungsurlaub und vor allem auf politische Bildung kaum wahrgenommen.“
Neben Hessen wird auch in Rheinland-Pfalz am Bildungsurlaub gekratzt. CDU-Politiker und Arbeitnehmer orten Vergnügungssucht der Arbeitnehmer, wenn Bildungsurlaub-Seminare auch noch Spaß machen. Das umstrittene „Traumfrau“-Seminar fand letzten Winter dann ohnehin nicht statt: Zu wenige Frauen hatten sich angemeldet. Ein neuerlicher Vorstoß von „Arbeit und Leben“ zum Thema „Traumfrau“ für diesen Herbst war erfolgreicher. Genügend Frauen wollten nun über ihre Rolle nachdenken. Aber die staatliche Behörde lehnte wieder ab. Begründung: Es gehe nicht so sehr um den irreführenden Titel dieser Veranstaltung, sondern darum, ob es sich tatsächlich um „gesellschaftspolitische Weiterbildung“ oder nur um „personenbezogene Weiterbildung“ handle. Und letztere könne nicht gefördert werden, da eine Freistellung für „persönliche Lebenshilfe“ dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden könne. Edith Kresta
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