: Wie ein Mythos entsteht
■ Der türkische Sänger, Komponist und neuerdings auch Filmemacher Zülfü Livaneli im taz-Gespräch über „Eisen-Erde Kupfer-Himmel“, über Musik-und Filmemachen
Dicht gedrängt stand am Donnerstag abend in der überfüllten Schauburg ein dort ungewohntes Publikum: vor allem auch türkische BremerInnen wollten es sich nicht nehmen lassen, „ihren“ Sänger und jetzt auch Filmautor Zülfü Livaneli zu hören. Der stellte sich mit einem kleinen Konzert dem Bremer Publikum vorstellte, das viele seiner Lieder mitsang. Livaneli war zu der Bremer Erstaufführung seines Filmes „Eisen-Erde Kupfer-Himmel“ für eine lange Nacht nach Bremen gekommen. (vgl. taz 9.3.)
Die taz griff ihn sich für ein kleines Gespräch.
Was hat Dich als Musiker dazu bewogen, einen eigenen Film zu drehen?
Livaneli: Ich habe bereits die Musik für siebzehn Filme geschrieben und dadurch eine eigene Interpretation dessen entwickelt, was Film und Filmmusik heißt. Das wollte ich nun einmal selber umsetzen.
Der Film ist sehr verschlüsselt und voller Metaphern. Kann man mit einem Film soziale Verhaltensmuster verändern?
Nein, das glaube ich nicht. Mein Ziel mit diesem Film war es, den Mechanismus des Glaubens aufzuzeigen, oder besser: die Schaffung eines Mythos in der Gesellschaft zu analysieren. Deshalb gebe ich auch keinerlei soziale oder politische Information. Überall auf der Welt gibt es diesen gefährlichen Glauben, man könnte einen Film sehen und dann die Gesellschaft besser verstehen. Auch die türkische Gesellschaft kann man nicht durch diesen Film oder einen anderen kennenlernen.
Wie ist die Situation des Films heute in der Türkei?
Besonders in den letzten zehn, fünfzehn Jahren drehen vor allem junge Regisseure sehr hochwertige Filme, und heutzutage sind diese Kunstfilme auch kommerziell erfolgreicher als die großen Industrieproduktionen. Das gilt auch für ausländische Produkte, z.B. Tarkowski.
Warum hast Du nicht mehr türkische Musik verwandt?
Ich wollte einen Film machen, der keinerlei folkloristischen Anstrich besitzt. Wir haben z.B. alle Kostüme in Istambul nach unseren bildlichen und farblichen Vorstellungen vorbereitet, und ich wollte keine Ornamente oder Farben zeigen, die irgendetwas mit Folklore zu tun haben. Mit der Musik ist es das Gleiche: Ich haben zwar das Thema geschrieben,
aber ich wollte, daß es international verstanden wird. Das gilt auch füpr das türkische Publikum: Ich wollte einen Film machen, der in einem Dorf spielt, aber ich wollte keinen Heimatfilm drehen.
Eisen-Erde Kupfer-Himmel ist kein Film, zudem man sofort einen Zugang findet...
Ja, besonders am Beginn des Films. Es gab die Schwierigkeit, die Situation des Wartens darzustellen. Man kann ja beim Sehen nicht die gleiche Zeit verbringen wie es die Menschen im Film tun - das war ein schwieriger Teil. Aber ich wollte in dem Film einen anderen Rhyhtmus schaffen, der den Rhythmus dieser Menschen fühlbar macht; das ist etwas ganz anderes als das Leben in unseren Städten, z.B. was das Zeitgefühl angeht.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Wim Wenders?
Als ich das Drehbuch schrieb, bin ich in verschiedene Länder gefahren, um einen Koproduzenten zu finden. Es gab die Möglichkeit,
Mittel vom Berliner Filmfonds zu bekommen, aber die vergeben ihr Geld nur an Berliner Gesellschaften. Also habe ich das mit Hilfe von Peter Przygoda versucht, Wims Redakteur; durch ihn habe ich Wim kennengelernt, dem ich dann mein Drehbuch gab. Es hat ihm gefallen, und so haben wir es zusammen gemacht.
Du beendest gerade Deinen zweiten Film. Wirst Du in Zukunft mehr im Film-Metier arbeiten?
Ich glaube ja, weil ich das Filmemachen liebe, und ich kann ja auch die Musik für die Filme schreiben. Natürlich liebe ich auch die Musik, das ist schließlich der Hauptteil meiner Identität, aber mit Musik kannst Du nur gewisse Gefühle ausdrücken, es ist eine mehr abstrakte Kunstform. Mit einem Film kannst Du alles machen: Du kannst eine Geschichte erzählen, eine psychologische oder soziale Struktur analysieren usw. Das ist eine große Herausforderung für mich!
Int.: JüS
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