: Wie die Wilden
Ein Politologe auf Tattoo-Trip ■ I N T E R V I E W
Arnold, Politologe, 34, ließ sich mit 21 eine nackte Frau auf den Unterarm tätowieren.
taz: Wie kam es zu der Aktion?
Ich war damals 21 und mit meinem Kumpel plus Anhang, das heißt dessen Tochter, Frau und Mutter und mit meiner Freundin, in Antwerpen, auf Sauftour. Im Hafenviertel fanden wir ein Tattoo-Studio und suchten uns dann ein Motiv aus. Wir entschieden uns für diese nackte Frau.
Tat es weh?
Ja, mein Kumpel schrie Zeter und Mordio. Da waren dann auch lauter gestandene Seeleute ringsum - wir taten ja nur so -, die fanden das Geschrei natürlich absolut daneben. Der Tätowierer sagte dann auch, wenn er nicht bald die Klappe hält, dann bleibts halt bei der halben Frau.
War es wirklich eine Laune?
Ich denke, es ging dabei um zwei Sachen: einmal das sichtbare Andersseinwollen. Mit hochgekrempelten Ärmeln die Leute im Büro schockieren, das hat mich gereizt. Heute denke ich, es hatte auch was mit der Jugendrevolte zu tun. Sich gegen die Disziplinierung zu wehren, aufhören mit dem Grau in Grau und sich bunt machen, „wie die Wilden“ eben.
Und die nackte Frau?
Ja auch, das ist dann die zweite Sache dabei. Ich glaube, es bedeutete bei mir auch: sich der Aufgabe Frau stellen, sich das in den Körper einbrennen lassen. Das war damals meine erste Freundin, und irgendwie hatte es damit was zu tun. Ich meine, natürlich ging es auch darum, männlicher zu erscheinen.
Wie war die Reaktion darauf?
Die im Büro, wo ich damals gearbeitet habe, die waren natürlich ganz schön geschockt. Einer hat auch ehrlich entsetzt gemeint: Was wollen Sie denn machen, wenn Sie mal Führungskraft sind?
Wie ist das an der Uni?
Nee, da, wo ich jetzt arbeite, an der Uni, kennt es niemand. In diesen „gesetzteren Kreisen“, wo es darum geht, Karriere zu machen, erzählt man ja sowieso nur sehr selektiv aus der Vergangenheit. Das ist schon ein gewisses Risiko zugegeben, daß man in Antwerpen herumgesoffen hat, und eine Tätowierung gilt natürlich auch als sonderbar. Aber mir macht es schon Spaß, wenn ich so durch die Uni schlappe und weiß, unter dem ordentlichen weißen Hemd da ist was irgendwie Unerhörtes, von dem ihr nichts wißt.
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