: Wie aus der Hommage an Marlene Dietrich eine Blamage wurde
■ Der Berliner Senat sagt die Ehrengala für Marlene Dietrich wegen Fehlplanung und politischer Feigheit ab/ Harald Juhnke: „Ein Armutszeugnis“
Berlin (taz) — Den Tod braucht man nicht zu fürchten, hat Marlene Dietrich einmal gesagt. Den Tod vielleicht nicht — aber alles, was danach kommt. Rund um das Begräbnis des Weltstars in seiner Heimatstadt Berlin wird ein schäbiges Trauerspiel inszeniert. Dabei gab es in der Hauptstadt zunächst eine Reihe guter Ideen, die Diva zu ehren: Eine Straße soll nach ihr benannt, eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus angebracht werden; am Sonnabend, dem Tag der Beerdigung, sollte eine Hommage im Deutschen Theater in großem Stil an sie erinnern.
Doch die Emigration holt die antifaschistische Schauspielerin auch noch im Sarg ein. Während sie in Paris mit einem Trauergottesdienst verabschiedet wurde, sagte der Berliner Senat die Gala für den „Blauen Engel“ ab. Offizielle Begründung: Viele ehemalige KollegInnen der Dietrich seien zu alt und zu krank, um nach Berlin zu kommen. „Das war nur ein Plan, noch kein Fakt“, an dessen Realisierung man gescheitert sei, hieß es in der Senatspressestelle. Der Sender Freies Berlin, Sat.1 und ein privater Radiosender hatten die Organisation der Veranstaltung zunächst zugesagt, waren dann aber wieder abgesprungen, weil ihnen der Termin zu kurzfristig war. Gleichzeitig gab es Streit mit den Managern der Filmfestspiele in Cannes, die befürchteten, eine Dietrich-Memorial-Veranstaltung würde Cannes in ein prominentenloses Nest verwandeln. „Die Veranstaltung scheiterte an schlichter Inkompetenz!“, kommentierte der Berliner SPD-Chef Walter Momper das Desaster.
Hinzu kommt, daß schon eine Woche nach der geplanten Gala in Berlin Berzirkswahlen sind. Mehr als einmal wurde der Bürgermeister Diepgen bei Wahlkampfveranstaltungen wegen der Feierlichkeiten für die „Vaterlandsverräterin“ angegriffen. Die Springer- Presse lancierte Stimmen in die Öffentlichkeit, die die Emigrantin und ihren Widerstand gegen die Nazis beschimpften. Die Versöhnungsgeste des Weltstars an seine deutsche Heimat wird geschmäht, die Hommage Berlins scheitert an chaotischer Planung und fragwürdigen politischen Rücksichtnahmen. „Das kann ja wohl nicht wahr sein!“, entfuhr es dem Berliner Schauspieler Harald Juhnke, als er von der Absage hörte. In einem Gespräch mit der taz bezeichnete der 62jährige das Chaos als „Armutszeugnis für die Hauptstadt Berlin!“. Juhnke: „Ich habe mehreren Leuten gesagt: Wenn ihr was für die Dietrich machen wollt, dann bin ich dabei!“ Er habe in den vergangenen Tagen oft mit Max Coplet telefoniert und über eine würdige Ehrenveranstaltung gesprochen. Coplet war über 60 Jahre lang mit Marlene Dietrich befreundet und schrieb viele Liedertexte für sie.
Zu den in Berlin kursierenden Gerüchten, die Gala sei vom Senat aus politischen Gründen abgesagt worden, erklärte Juhnke: „Wenn das stimmt, bin ich wirklich fassungslos.“ Er selbst habe überhaupt nicht den Eindruck, daß die Berliner Bevölkerung mißgünstig auf die Beerdigung Marlene Dietrichs in ihrer Heimatstadt reagieren würde. „Ich habe viele ältere Menschen getroffen, die sich darüber gefreut haben, daß sie nach Berlin zurückkehrt“, sagte er. „Sie hat sich zu ihrer Heimatstadt immer wieder bekannt. Diese alten Nazis, die sie jetzt wieder schlechtmachen wollen, sind doch alles Schwachköpfe!“ Juhnke plädierte dafür, Marlene Dietrich in Berlin so schnell wie möglich ein Denkmal zu setzen. Er hatte sie als junger Schauspieler „bei einer Tasse Kaffee“ kennengelernt. „Wir haben uns gleich gut verstanden. Die konnte unheimlich gut berlinern“, erinnerte er sich.
Von Maximilian Schell bis zu Horst Buchholz, von Bernhard Minetti bis zu anderen prominenten Berliner Schauspielern steht eine ganze Riege aus dem Film- und Showgeschäft bereit, um der Künstlerin „Adieu“ zu sagen. „Das Deutsche Theater hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um die Gala auf die Beine zu stellen“, berichtete die stellvertretende Intendantin Rosemarie Schauer. Nach der chaotischen Planung durch den Senat „will ich damit nichts mehr zu tun haben“, sagte sie gestern verbittert. Bascha Mika/CC Malzahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen