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Wie Bela Lugosi und Mr. Spock

■ Der Magier entzaubert sich: Robert Wilson spielt „Hamlet“

Am Anfang dieses seltsame Foto. Als Werbepostkarte in Kneipen und Cafés: Wilson in pathetischer Pose, die Augen inbrünstig gegen einen imaginären Himmel, die Hand ausgestreckt wie zur Abwehr eines Geistes. Der Ausdruck des Schauspielkunst inszenierenden Schauspielers. Devote Ikone, Spielen als sakrale Handlung. Von Sarah Bernhard kennt man solche Erhabenheit, assoziiert vielleicht vergilbte Fotos von Burgschauspielern der Jahrhundertwende. Aber Wilson?

Im Hebbel Theater ist erst mal alles anders. Wilson als scharfer Schattenriß hingestreckt auf einem Felsenberg, Hamlet on the rocks. „Had I but time ... O, I could tell you.“ Im Original bleiben ihm an dieser Stelle nur noch ein paar Sekunden. Robert Wilson gibt dem Dänen Zeit, das Drama zu erinnern. „The Tragicall Historie of Hamlet, Prince of Denmarke“ als Flashback in 15 Szenen. Sobald sich der aufgebahrte Prinz erhebt, vom steinigen Hügel hinunter in die Gegenwart des Textes schreitet, ist das Foto wieder präsent. Futuristisch antiquiert das Outfit, irgendwo zwischen Bela Lugosi, Transsylvanien und Mr. Spock.

Größte Überraschung ist die Sprache. Über Lautsprecher schallt sie in den Raum. Nicht die coole Diktion, nicht das rhythmisch versetzte, synkopierte Sprechen des Wilson-Menschen. Der Schauspieler Wilson schwingt sich vom sonoren Bariton in fistelige Höhen. Singt, kreischt, deklamiert, parodiert. Performance in allen Registern. Und er tanzt. Die minimalistische Bewegung weicht hier einer tänzelnden, gezierten. Statt langsamer Schübe in Vertikale und Horizontale ein nicht abreißender Fluß der Gesten und Schrittfolgen. Jeder Zeile ihr Gesicht. Dazu jede Menge Drehungen um die eigene Achse. Und das ist die Crux: Wilson goes Wilson oder theatralische Interferenz in Reinform.

Denn die Inszenierung ist auch hier Maschine, beste Theatertechnik. Ein multimediales Räderwerk aus dekorativen Lichtwechseln, Blitzen, auf die Zehntelsekunde getimten Effekten, elektronischem Theaterdonner, Requisiten an unsichtbaren Schnüren, der Soundcollage von Hans Peter Kühn.

Wilson, master and middle of the ceremony, spielt als Mensch gegen die Mechanik, die ihn vermeintlich unterstützt. Dabei entwickeln seine besten Inszenierungen ihre visuelle Wucht gerade durch die Abwesenheit aller Individualität. Bedrohliche Bilder, in denen die Schauspieler auch Requisiten sind, gesteuert vom gottgleichen Marionettenmeister. Tritt der Allmächtige auf als Hamlet mit Macken, Mätzchen, Affekten, bricht das Konstrukt zusammen. Wilson, der Spieler, der sich in die getürkten Karten gucken läßt. Der Magier, der sich selbst entzaubert. Wilson in der Wilsonmaschine, ein ästhetischer Störfaktor. Vor allem weil er für sein Spiel bei aller Virtuosität keine konsequente Form findet.

So zersetzt die zelebrierte Kunstfertigkeit des Schauspielers den Formalismus des Ganzen, prallt Persönlichkeit gegen Abstraktion. Aus dem Gegensatz entsteht nicht Spannung, sondern ein ungeheurer Energieverlust. Wenn dann die Hand am aufragenden Schwert vorbeigreift oder der Hocker, von dem sich Hamlet auf die Bühne schwingt, plötzlich pannenhaft aus der Kulisse ragt, kracht die große Geste ein. Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es manchmal wirklich nur ein Schritt. Warum hat der Marionettenmeister die Fäden nicht am eigenen Schopf befestigt? I understand you not, my Lord. Katja Nicodemus

Bis 24.3., 20 Uhr, Zusatzvorstellung am Sonntag nachmittag, Hebbel Theater, Stresemannstraße 29

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