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Widerständige Postmoderne

■ „Yentown – Swallowtail Butterfly“ war eine der Sensationen des ausgehenden Kino-Jahrzents. Shunji Iwai über Migration, Takeshi Kitano und „Third Culture Kids“

Für manche kam sie einer kleinen Offenbarung gleich, die Begegnung mit dem Werk des japanischen Regisseurs Shunji Iwai. Mit gleich vier Filmen stand er im Zentrum des Festivals Zwischen Himmel und Hölle – Das japanische Kino der 90er Jahre, und jeder von ihnen führte einmal mehr vor Augen, dass mit Iwai ein neuer auteur die Bühne des world cinema betreten hat, der den Vergleich mit Wong Kar-Wai oder Takeshi Kitano nicht zu scheuen braucht.

Wo sich der Boxoffice-Hit Love Letter als melodramtische Reflexion auf dem Proust'schen Terrain der Erinnerung erzählte und die romantische Phantasie Picnic seine Protagonistin auf eine Reise ans Ende des Wahns schickte, die wie kaum ein anderer Film erst in einem einzigen, bittersüßen Schlussbild Sinn erhält, findet April Story, Iwais neuester Film, zu einer nahezu klassischen Form zurück. Bisheriger Höhepunkt des Handkamera-verliebten Schaffens des ehemaligen TV-Regisseurs bleibt das Migranten-Drama Yentown – Swallotail Butterfly, eine postmoderne tour de force, die in durchaus MTV-kompatibler Bildersprache vom Überlebenskampf in den barrios eines futuristischen Tokios erzählt und einige interessante Überlegungen zu Globalisierung und Rassismus bereithält. Für die taz hamburg sprach er mit Tobias Nagl, der sich hier bei Ninoko Takeuchi für ihre freundliche Übersetzung bedankt.

taz hamburg: Herr Iwai, wie real sind die in Yentownbeschriebenen Verhältnisse?

Shunji Iwai: Es gibt natürlich Migranten in der japanischen Geselllschaft, und ich habe vor dem Dreh versucht, mich bei Journalisten und anderen, die sich besser auskennen als ich, zu informieren. Einige der Schauspieler sind Laiendarsteller, Einwanderer, auf die ich über Freunde und Freunde von Freunden gestoßen bin. Wichtig war mir, die „Yentowns“ nicht nur als Opfer einer Gesellschaft zu zeigen, sondern als Menschen, die ein eigenes Leben führen.

In Yentown fällt das Wort „Third Culture Kids“. Was bedeutet das?

Die im Film auftretende Yentown-Band gibt es wirklich, und Leute wie den „Superwiser“ auch. Die nennen sich tatsächlich „Third Culture Kids“. Es sind Leute, die in Japan geboren sind und fast nur noch japanisch sprechen. Wenn so etwas passiert wie die Clinton-Affäre, werden sie immer gefragt, wie das möglich ist, und sie sind genervt, weil sie auch nicht mehr wissen und nur wegen ihres Äußeren angesprochen werden.

Es gibt in Japan zudem dieses alte Problem mit Koreanern, die im Zweiten Weltkrieg nach Japan verschleppt wurden und deren Nachkommen noch immer diskrimiert werden. Ihre Identitätsprobleme unterscheiden sich aber von denen der Amerikaner. Für die Japaner sind sie „Weiße“ und werden das immer bleiben. Sie stehen tatsächlich zwischen den Kulturen. Als Japaner werden sie nicht anerkannt, und Amerikaner sind sie auch nicht mehr. Dadurch kann aber auch etwas Neues entstehen.

Seit Love Letter gelten Sie als einer der Innovatoren des japanischen Kinos. Was ist neu an Ihrer Herangehensweise?

Das wichtigste ist eine gute Geschichte. Es gibt aber noch einen anderen Aspekt: Technik. Japanischen Regisseure schätzen das Spirituelle oft so sehr, dass sie den Rest vergessen. In den 80er Jahren gab es deshalb einen seltsamen Niedergang des Filmhandwerks, gemessen etwa an den Standards, die Kurosawa in den 60er Jahren gesetzt hatte. Takeshi Kitano gehört auch zu den Leuten, die das ändern wollten. Er ist aber von Haus aus Schauspieler und traut sich deshalb nicht, seinen professionellen Kameraleuten reinzureden. Ich mag ihn als Geschichtenerzähler, aber seine Bilder sind so statisch. Interessanterweise fanden Publikum und Kritik das ungeheuer innovativ. Als Ex-Video-Clip-Regisseur würde ich solche Bilder nie durchgehen lassen!

 Yentown, So 26.12. – Mi 29.12, 22.30 Uhr, 3001

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