: Who's Willy DeVille?
■ Anmerkungen zu einem Konzert von Willy DeVille am 25.11. im Modernes
Arnaud fragt, ob die LP „MIRACLES“ von Willy DeVille überhaupt dessen eigene, oder nicht vielmehr die von Mark Knopfler sei. Soll heißen, daß eine Schallplatte, wo der britische Gitarrist nicht nur mit seinem „überaus geschmackvollen Spiel“ (Spiegel) aufwartet, sondern auch als Co-Autor und Produzent zeichnet, eigentlich nichts anderes sein kann als Dire Straits mit jemandem am Micro, der richtig singen kann.
Auch Mr DeVille muß klargewesen sein, daß eine Knopfler -Produktion sich zu seiner Musik verhält wie Bärenmarke zum Kaffee: Der Saitenästhet macht weiß aus schwarz, mild aus stark, und alle Lammfrommen zu Softies, die er bespielt und produziert. Außerdem ist er EINMALIG, und das heißt ja nicht mehr, als daß er nach drei Tönen identifizierbar ist. Als bezaubernder Produzent warmer Töne, aber auch als Steigbügelhalter für Auf-und Absteiger.
Was also verbindet ausgerechnet diesen Sothern-State-Hard -Man-Willy mit dem kreolischen Flair, mit dem englischen Guitar-social-worker? Cafe au Lait. Die Mischung ist heiß, ausgewogen: Weiche, coole Sounds wirken zusammen mit dem Nimbus des abgeklärten, all-knowing-Macho, creole, caribean, french, aus dem DELTA des Muddy River eben: Willy DeVille ist der Mann, der keine aggressiven Töne mehr braucht, der alles gesehen hat, ein Bob Dylan nach der Rückkehr von Godfather, ein Tom Waits, der überlebt hat. Der beste Song der LP setzt dort an, wo auch seine offensichtlichen Vorbilder ihre Themen fanden: auf der Straße, im Bauch der Stadt.
ONLY THIEVES ON PAROLE/ AND THE COPS OUT ON PATROL/ WALK THE STREETS FEELING SAFE/ AINT IT STRANGE/ DUE TO GUN CONTROL! Kein Law-and-Order-Song in die Charts gepusht von irgendeiner Lobby, sondern knapper Extrakt aus New Orleans, New York: Zu viele Waffen.
Hier ist es der Text, manchmal sind es Text und Stimme: Wenn „Spanish Jack“ seinen natürlich-betrügenden Mitspieler am Pokertisch niederschießt „with so much lead, it took six men to move him over“, so kann es nur so gewesen sein, daß Willy einer dieser sechs gewesen ist.
Natürlich ist es fraglich, ob Willy, der Komponist, schon jemals drei Töne hintereinandergesetzt hat, die sich nicht aus der Schallplattensammlung jedes hitparadenfixierten Durchschnittkonsumenten rekonstruieren lassen: Willy komponiert nicht, er klaut, schamlos, und es ist ihm schnuppe, ob man ihn dabei erwischt (vielleicht möchte er es sogar, d.S.).
Coolen Blicks überschreitet Willy die Schmerzgrenze: AND THE CHOIR SINGS/ AVE MARIA/ I LOOK INTO YOUR EYES/ THEY SAY A MILLION THINGS/ CATHEDRAL BELLS THEY START TO SING. Die Musik ist so unerträglich wie der Text, aber das muß wohl so sein, weil es unerträglich IST, wenn ein südlicher Macho zwischen Mutter und Kirche von Liebe singt. Mr DeVille kennt keine Kompromisse.
Freunde von MINK DeVILLE werden auf der MIRACLE-LP vielleicht den Dunst von Staub, Schweiß und Dope vermissen, die ihn bisher mit den Manhattan-Clubs verband: Kein Rhythm & Blues, kein Cajun. Aber wie gesagt, es gibt Dinge, die kann man mit Mark Knopfler nicht machen. Willy wirds vorher gewußt haben. Und im MODERNES am 25.11. spielen sowieso Willy DeVille & THE MINK DeVILLE BAND.
Rainer Köster
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen