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Wettlauf um Olympische Spiele ab 2036Stoppt die Bewerbung!

Kommentar von

Stefan Alberti

Vier Tage nach dem klaren Pro-Olympia-Votum in München hält Berlins Politik noch immer an einer Bewerbung fest. Das ist kostspieliges Wunschdenken.

Berlin sollte nach dem sehr erfolgreichen Münchner Bürgervotum (hier die Ringe im dortigen Olympia-Park) seine Bewerbung stoppen Foto: Sven Hoppe/dpa

K larer konnte das Votum nicht ausfallen: Zwei Drittel haben beim Bürgerentscheid in München am Sonntag für eine Olympiabewerbung gestimmt. Anders als in Berlin ist die breite politische und gesellschaftliche Basis für olympische Spiele 2026, 2040 oder 2044 nun auch in Zahlen festgeschrieben.

Doch Berlins Politik hält auch vier Tage später an einer Bewerbung fest, statt vor diesem Hintergrund die Reißleine zu ziehen und dem klammen Landeshaushalt die dafür vorerst eingeplanten 6 Millionen zu sparen. Das grenzt an Geldverbrennen und geht zu Lasten derer, die damit weit Sinnigeres anfangen könnten.

Bis Sonntag hatten der schwarz-rote Senat, der Landessportbund und überhaupt alle, die wie der Autor dieser Zeilen gerne die besten Sportlerinnen und Sportler mehrere Wochen geballt in der eigenen Stadt sehen würden, noch hoffen können. Ja, da war der mangelnde hiesige Rückhalt, ja, da mauerten in Form von Linkspartei und Grünen zwei mögliche künftige Regierungsparteien.

Aber hatten die Münchner sich nicht 2013 auch gegen Olympia gestellt? 48 zu 52 Prozent ging damals der Bürgerentscheid über eine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 aus. Warum sollte das nicht wieder passieren – auch wenn sich schon vorher ein anderes Stimmungsbild andeutete?

Der DOSB will im Herbst 2026 entscheiden

Bis Sonntag war es darum auch legitim, für eine erste Bewerbungsphase besagte sechs Millionen Euro einzuplanen – für jene Phase, in der es darum gehen sollte, sich gegen die innerdeutsche Konkurrenz in Hamburg, München und der Rhein-Ruhr-Region durchzusetzen. Zu überzeugen gewesen wären dabei die Mitglieder des Deutschen Olympischen Sportbund, der sich nach selbst gesetztem Zeitplan im Herbst 2026 bei seiner Hauptversammlung auf einen deutschen Austragungsort festlegen will.

Hätte sich in München – wenn überhaupt – nur eine knappe Mehrheit gefunden, hätte man den DOSB-Entscheidern verklickern können: Viel anders ist es bei uns in Berlin auch nicht, 51 Prozent kriegen wir schon hinter uns. Wobei auch das schwierig gewesen wäre, nachdem sich im Sommer bei einer Umfrage im Auftrag der Morgenpost nur 32 Prozent für eine Bewerbung aussprachen, aber 56 dagegen. Selbst wenn die 12 Prozent Unentschiedenen dabei durchweg noch zu Befürwortern geworden wären, wäre es bei einer Minderheit von 44 Prozent geblieben.

Doch die Dinge sind anders gekommen. Exakt 66,4 Prozent haben sich am Sonntag in München hinter eine Bewerbung gestellt. Das war auch kein Zufallsergebnis – bei keinem Bürgerentscheid in München zuvor war die Beteiligung höher.

Ein Grund dafür dürfte auch der breite politische Rückhalt sein. Anders als in Berlin unterstützten die Grünen mehrheitlich sowohl im Stadtrat und vor allem im Landtag eine Bewerbung. Allein die örtliche Linkspartei warb in München vor dem Bürgerentscheid unter der Überschrift „NOlympia!“ für ein Nein zur Bewerbung.

Berlins Verfassung lässt keine schnelle Abstimmung zu

In Berlin hat die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus bereits angekündigt, ein mögliches Volksbegehren gegen die Austragung olympischer Spiele zu unterstützen. Dieses Verfahren würde sich – weil in Berlin verfassungsmäßig anders als in München oder Hamburg kurzfristig vom Parlament ansetzbare Abstimmungen nicht möglich sind – über zwei Jahre hinziehen. Ein mögliches „Nein“ stünde erst lange nach dem Herbst 2026 fest, in dem sich der DOSB entscheiden will. Ein mögliches Pro-Berlin-Votum wäre dadurch konterkariert.

Vor diesem Hintergrund wirkt es angesichts der Berliner Haushaltslage unverantwortlich, auch nur noch einen Euro in eine Bewerbung zu stecken. Zwar mögen die dafür vorgesehenen 6 Millionen gering angesichts eines Landeshaushalts von jährlich rund 40 Milliarden als kleine Summ erscheinen. Aber man muss in diesen Tagen nur Bezirksbürgermeisterinnen- und meistern zuhören. Dann erschließt sich schnell, wie weit sinniger sich die 6 Millionen investieren ließen.

Die Rathauschefin im Bezirk Mitte etwa, Stefanie Remlinger von den Grünen, berichtete Journalisten jüngst, man habe beispielsweise mit nur 800.000 Euro habe die organisierte Kriminalität vom Leopoldplatz vertrieben. In den Bezirken mache man quasi Gold aus jedem einzelnen Euro. Einen Betrag in der Größenordnung der Bewerbungskosten ordnete sie dabei als „eine unglaubliche Summe“ ein.

So schön die Sache mit den Spielen in der eigenen Stadt gewesen wären: Wertvolles Geld in eine nun aussichtslos wirkende Olympia-Bewerbung zu stecken ist wie mit dem Kopf durch die Wand zu wollen – bloß mit dem Unterschied, dabei nicht bloß den eigenen Kopf zu beschädigen. Der Brief mit der Absage könnte morgen schon rausgehen. Adressat: Deutscher Olympischer Sportbund e.V., Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt am Main.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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